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Alexander von Dombois

Junge Talente
Haltung statt Hype

Der Designer Alexander von Dombois feierte beim SaloneSatellite mit Möbeln wie dem Rollhocker "Scala", der Leuchte "Eli" oder dem Stuhl "Raam" ein bemerkenswertes Debüt. Im Gespräch erzählt der Kölner, wie einfache Prinzipien seine Entwürfe antreiben, warum Materialien in Würde altern dürfen – und weshalb Borkenkäferholz ein zweites Leben verdient.
23.07.2025

Jochen Overbeck: Wie hast du deinen ersten Auftritt beim SaloneSatellite in Mailand erlebt – hattest du mit so viel medialem Feedback gerechnet?

Alexander von Dombois: Das erste Mal war ich nicht nur der Besucher, der mit einem Aperölchen durch die Gänge schlendert, sondern Aussteller, und das hat richtig Spaß gemacht! Der SaloneSatellite ist eine ganz andere Bühne als etwa die Passagen in Köln, wo ich vorher vertreten war. Mein 99-jähriger Großvater war jedenfalls stolz, mich in der Zeitung zu sehen. Was ich allerdings unterschätzt habe, war, wie anstrengend so eine Messe ist – bei täglich zehn Stunden auf Betonboden mussten irgendwann die schicken Schuhe den Birkenstocks weichen.

Sehr viel ist über deinen Hocker "Scala" geschrieben worden. Der folgt dem simplen Prinzip der Rollhocker, wie wir sie aus Supermärkten kennen. Total logisch, hat man aber so nie gesehen. Das scheint generell eines deiner bevorzugten Wirkprinzipien zu sein…

Alexander von Dombois: Absolut. Ein weiteres Beispiel ist die Hakenleiste "Haak". Auch hier ist das Prinzip simpel: Die Haken stecken in Löchern, die gleichzeitig die Wandbefestigung verbergen. Ich mag, wenn Funktion direkt zur Form wird.

"Haak"
"Scala"
"Beetlechair"

Das ist ja die DNA der deutschen Designgeschichte. Ist das ein Gedanke, der dir wichtig ist?

Alexander von Dombois: In vieler Hinsicht bin ich Pragmatiker. Es gibt ja dieses Sprichwort: "Nichts hält länger als das Provisorium." Manchmal schustere ich etwas zusammen – und es bleibt dann einfach so. Was ich auf jeden Fall mag, ist die Schönheit des Einfachen. Und ich schätze es, wenn ein Gegenstand genutzt werden kann, ohne dass man Angst haben muss, es zu berühren oder ihm eine Schramme zuzufügen. So wie wir im Lauf der Zeit Falten bekommen, graue Haare, vom Leben gezeichnet werden, sollten auch Objekte in Würde altern dürfen. Ich zum Beispiel trage seit meinem 13. Lebensjahr ein altes, verschrammtes Opinel Taschenmesser mit mir herum. Die Klinge aus Carbonstahl ist nachgedunkelt, der Griff speckig geworden. Man schneidet damit seine Salami, sein Brot, es ist schlichtweg ein täglicher Begleiter. Genau das versuche ich auch in meinen Objekten umzusetzen: Dinge zu schaffen, die mit den Menschen wachsen.

Wo sehen wir das in deinen Arbeiten?

Alexander von Dombois: Das war zum Beispiel einer der zentralen Gedanken bei der Leuchte "Eli". Sie hat etwas Niedliches, Kindliches – fast etwas Männekenhaftes – man will sie einfach haben. Sie ist aber keine modische Erscheinung, sondern zeichnet sie sich durch Zeitlosigkeit und Simplizität aus, sodass sie sich ein Leben lang sich in jeden Raum einfügt. Ich lasse mich gern von archetypischen Formen inspirieren. Das gilt auch bei Sitzmöbeln. Wenn man ganz abstrakt denkt und sich fragt: "Wie sieht ein Stuhl aus, wenn man einfach nur einen Stuhl zeichnen soll?" – dann entsteht eine Art Urbild. Diese Grundform dann in ein reales Möbelstück zu übersetzen, finde ich spannend.

Du hast die ersten Jahre deiner Kindheit in Südafrika verbracht – einem Land mit extremer Armut. Entwickelt man da zwangsläufig einen anderen, nachhaltigeren Designgedanken?

Alexander von Dombois: Wahrscheinlich war es eher ein unbewusster Einfluss, vor allem auch die Erkenntnis, dass Ressourcen einem nicht im Überfluss zur Verfügung stehen. Dies fängt bereits bei Wasser an. In Südafrika gibt es gerade deshalb eine starke Kultur des Kunsthandwerks. Aus einfachsten Materialien wie Draht und Blech entstehen Spielzeuge oder Gebrauchsgegenstände. Das hat mich nachhaltig geprägt. Ich konnte nie viel mit Gameboys oder Konsolen anfangen. Ein Schnitzmesser und ein Stock im Garten reichten mir völlig. Ich wollte lieber eine Rundzange als ein Spielzeugauto – hauptsache, ich konnte selbst etwas formen. Früh habe ich mich auch für Archäologie interessiert, vor allem Experimentalarchäologie. Schon als Kind fand ich es faszinierend, wie Menschen früher aus dem, was die Umgebung hergab, Werkzeuge und Alltagsdinge hergestellt haben. Ein gutes Beispiel ist das Alpenland, wo traditionell viel mit Nadelholz gearbeitet wurde – ein Material, das anderswo als minderwertig galt. Das finde ich spannend: Aus dem Vorhandenen das Beste machen. Das klingt vielleicht romantisch, ist aber im Kern gelebte Nachhaltigkeit. Und genau dieser Gedanke spiegelt sich bis heute in meiner Arbeit wider. Wenn ich auf mein Studioregal schaue, liegen da zum Beispiel Dinge wie eine Scherbe aus Sicherheitsglas oder ein rostiges Stück Blech – Fundstücke von der Straße, die ich aufhebe, weil sie für mich irgendwie interessant sind.

"Aura"
"Aura"
"Eli"

Wie sah dein beruflicher Werdegang aus?

Alexander von Dombois: Das war ein etwas verschlungener Weg: Nach der Realschule wollte ich ursprünglich Fotograf werden. Nach einem Jahr im Bundesfreiwilligendienst entdeckte ich dann die Möglichkeit, eine Grafikdesign-Ausbildung mit Abitur zu machen. Während viele meiner Mitstudierenden in dessen Rahmen ihre Praktika in Agenturen machten, zog es mich in eine Schlosserei und in die Goldschmiede. Nebenbei arbeitete ich in der Schlosserei weiter mit – unter anderem haben wir die öffentlichen Bücherschränke gebaut, die man heute in Köln sieht. Dabei wurde mir schnell klar: Ich möchte nicht den ganzen Tag am Computer verbringen und Plakate oder Flyer entwerfen, die am Ende auf irgendeiner Festplatte verschwinden. Die Arbeit mit den Händen, mit Materialien, das reale Ergebnis, all das hat mich viel mehr erfüllt. Eine Tischlerlehre stand kurz im Raum. Aber weil ich mich nie auf einen Werkstoff festlegen konnte – und das bis heute nicht möchte – war das Produktdesign genau der richtige Weg für mich. Je nach Projekt beschäftige ich mich intensiv mit Materialeigenschaften und Fertigungsprozessen. Am Rechner lässt sich vieles schick visualisieren – aber ist es auch machbar?

Du hast dann an der Ecosign Nachhaltiges Design studiert. Einer deiner Dozenten war Thomas Schnur. Was hat er dir beigebracht?

Alexander von Dombois: Den Hands-on-Approach: Mit einer Japansäge, einem Stemmeisen und etwas Know-how kannst du schon eine Menge erreichen. So entsteht schnell eine dreidimensionale Skizze, und du lernst zum Beispiel, wie man aus Dachlatten und Spax-Schrauben ein Modell eines Stuhls baut. Dabei bekommst du ein erstes Gefühl für die Proportionen.

"Schäl"

Hat man als DesignerIn eine Verantwortung für die Nachhaltigkeit?

Alexander von Dombois: Definitiv. Die Frage ist natürlich, inwieweit man das überhaupt beeinflussen kann. Aber es ist wichtig, Anreize zu schaffen und das Thema Nachhaltigkeit immer mitzudenken. Formafantasma sind da ein gutes Beispiel – sie arbeiten eher konzeptionell, sind aber auch sehr etabliert. Das ist beeindruckend. Entscheidend ist, den produzierenden Unternehmen zu zeigen, was möglich ist – und sie auch mal an die Hand zu nehmen um zu schauen, wie man gemeinsam nachhaltiger arbeiten kann.

Was ist überhaupt Nachhaltigkeit im Design?

Alexander von Dombois: Da beginnt das Philosophische: Ist es nachhaltig, ein Möbelstück aus Paletten zu bauen? Oder kann sogar Kunststoff nachhaltig sein – obwohl er oft als "Buhmann" gilt? Hier liegt das Problem meistens eher im Umgang damit. Wenn ein Entwurf nicht nur einer kurzfristigen Mode folgt, sondern das Produkt auch langlebig ist, dann kann es durchaus aus einem Material bestehen, das zunächst negativ behaftet ist. Ein gutes Beispiel sind auch Möbel, die über Kleinanzeigen weiterverkauft werden oder vom Sperrmüll stammen. Sie standen vielleicht 40 Jahre im Wohnzimmer – und finden nun erneut Verwendung. Vielleicht lässt es sich so sagen: Ein Produkt ist dann nachhaltig, wenn es Lebenszeiten überdauert und weitergegeben wird.

Du hast zuletzt den "Beetlechair" vorgestellt, einen Stuhl, der aus Borkenkäfer-Schadholz besteht, das sonst entsorgt werden müsste. Gäbe es denn überhaupt schon eine Forstindustrie, die erkrankte Bäume möbelfertig verarbeitet?

Alexander von Dombois: Ja und nein. Während dieses Projekts hatte ich ein aufschlussreiches Gespräch mit einem Sägewerksbetreiber. Er sagte, angesichts des massiven Fichtensterbens durch Dürre und Borkenkäfer sei es unvernünftig, gesunde Bäume zu fällen – es gibt schlicht zu viel geschädigtes Holz, und wir müssen lernen, es sinnvoll zu nutzen. Das Projekt thematisiert also auch die Fehlentwicklungen in der Forstwirtschaft, insbesondere die Monokulturen aus Fichte und die daraus resultierenden Borkenkäferprobleme. Dabei ist der Käfer eigentlich nicht das Problem. Er folgt nur seinem Instinkt: fressen, sich vermehren. Das eigentliche Problem sind wir, weil wir solche Plantagen zugelassen haben. Alle zeigen empört auf die Palmölplantagen anderer Kontinente – und verzichten auf Nutella –, ohne das eigene System zu hinterfragen.

"Raam"
"Raam"
"Tünn"

Ist es denn von einem Gestaltungspunkt aus gesehen schwieriger, mit Schadholz zu arbeiten?

Alexander von Dombois: Nein. Alle reden ständig davon, dass Holz makellos sein müsse – astreine Eiche, frei von Wirbeln oder sonstigen Fehlern. Aber sind solche Merkmale wirklich Fehler? Schließlich handelt es sich um ein Naturmaterial. Einerseits wünschen wir uns Holz in unseren Wohnräumen gerade wegen seiner Natürlichkeit. Andererseits erwarten wir, dass es sich verhält wie Kunststoff – gleichmäßig, perfekt, normiert. Das ist doch ein Widerspruch in sich!

Interessant, dass du vorhin Formafantasma erwähnt hast. Die haben ja zusammen mit Artek die Forest Collection entworfen – Möbel aus Birkenholz, das eigentlich wegen seiner Unregelmäßigkeiten aussortiert würde. Als ich das gesehen habe, fand ich es großartig. Und ich musste sofort denken: Bei einem Kirschholzmöbel aus dem 19. Jahrhundert freuen wir uns über Astlöcher...

Alexander von Dombois: Der beetlechair war ein Projekt, das zeigen sollte, dass Holz mit vermeintlichen Makeln Respekt verdient. Das, was Formafantasma und Artek da machen, finde ich in diesem Zusammenhang großartig. Auch Vaarni, die ebenfalls aus Finnland stammen, leistet hier beeindruckende Arbeit. Dort verwendet man Weichholz, das sich im Laufe der Jahre verändert – und genau da sind wir wieder beim Thema des würdevollen Alterns. Das Möbelstück erzählt eine Geschichte. Wir müssen lernen, solche Veränderungen zu schätzen.

"beetlechair"

Ein anderes Material, das du gerne verwendest, ist Linoleum. Du hast dich beim Stuhl "Raam" dafür entschieden. Warum?

Alexander von Dombois: Ich liebe dieses Material – allein der Geruch! Es wirkt erstmal total technisch, und wer nicht weiß, was es ist, tippt wahrscheinlich zuerst auf Leder oder sogar einen Kunststoff. Dabei ist es komplett natürlich, besteht aus Leinöl, Holz- oder Korkmehl und Kreide. Und es wird mit der Zeit immer schöner. Wenn es an den Rändern speckig wird, sieht das einfach gut aus. Es gibt kein besseres Material, um darauf zu schreiben. Heute sieht man Linoleum-Tischplatten in jeder hippen Naturweinbar. Ich fand es spannend, diesen Werkstoff mal wieder ganz klassisch als eingelassene Sitzfläche in einen Holzzargenstuhl zu bringen.

Was steht bei dir als Nächstes an? Ist irgendwas spruchreif?

Alexander von Dombois: Es gibt noch nichts, wo ich sagen kann: Das kommt nächste Woche raus. Aber ich bin bei einigen Projekten im Gespräch, die in Mailand gezeigt wurden. Ich denke, da wird bald was zu sehen sein.

Alexander von Dombois gestaltet funktionale und alltagstaugliche Produkte mit einer klaren Formensprache und einem bewussten Blick auf Nachhaltigkeit. Nach ersten gestalterischen Stationen im Bereich Grafikdesign absolvierte er den Bachelor in Sustainable Product Design an der Ecosign Akademie für Gestaltung in Köln. Weitere Erfahrung sammelte er durch durch seine Mitarbeit in Studios wie Gerdesmeyer Krohn und KaschKasch. Seine Entwürfe sind geprägt von einem tiefen Interesse an traditionellen Handwerkskulturen und einer großen Materialaffinität.

"Dig"