JUNGE TALENTE
Alltagsgegenstände ohne Allüren
Jasmin Jouhar: In der Gruppenausstellung "Værktøj 2" anlässlich der 3daysofdesign in Kopenhagen hast du die eigens dafür entwickelte Kommode "Bow Tie" gezeigt. Worum ging es in der Ausstellung?
Alvilde Holm: The concept was that all designers had to use the same tool for their design. This year, it was the workshop press. Among other things, it can be used to make sheet metal parts. You can punch, press and emboss with it. It's a really versatile tool. There was a press like this in the exhibition, and it's actually the one I used. It can press with 20 tonnes of force. That's enough to make smaller objects.
Hast du eine Form benutzt, um die Blechteile von "Bow Tie" zu formen?
Alvilde Holm: Ja, das ist die gängigste Methode. Und das ist auch der Grund, warum es teuer ist, nur wenige Teile herzustellen. Man braucht eine aufwändige Form aus Stahl. Bei großen Stückzahlen wird es dann günstig. Für die Ausstellung haben wir Formen aus PLA (Polylactide) entwickelt. Wir konnten sie einfach 3D-drucken und sofort damit experimentieren.
Ließe sich das Verfahren, Formen zu drucken, auch auf die Massenproduktion übertragen?
Alvilde Holm: Die 3D-gedruckten PLA-Formen sind hauptsächlich zum Experimentieren gedacht. Es ist eine schöne Methode, um hands-on zu arbeiten und etwas auszuprobieren. Prototypen zu bauen, bevor man eine endgültige Form herstellt.
Was ist die Idee hinter "Bow Tie"?
Alvilde Holm: Eigentlich wollte ich einen Stuhl machen (lacht). In den ersten paar Monaten habe ich an Stühlen gearbeitet, um irgendwann festzustellen, dass ich den Prototypen gar nicht produzieren kann. Ich hatte auch überhaupt nicht experimentiert. Ich hatte einfach nur darüber nachgedacht, wie ich ein Design mit der Presse machen möchte. Mit ein paar anderen DesignerInnen aus der Værktøj-Gruppe habe ich mich dann in einer Werkstatt getroffen, wo wir einfache Presswerkzeuge und PLA-Formen ausprobiert haben. Ich beschloss: Kill you darling! Und habe über kleinere Objekte nachgedacht, etwas, das ich im Maßstab eins zu eins ausprobieren kann. Einfache, gepresste Dinge. So kam ich auf Griffschalen, wie man sie von alten Aktenschränken kennt. Die Idee war, etwas zu entwerfen, was offensichtlich mit dieser Presse hergestellt wurde. Etwas, das man nicht auf andere Weise produzieren könnte.
Im vergangenen Jahr hast du für die Ausstellung "Danish Design Makers" einen Stuhl entworfen, der mit Papierschnur bespannt ist, dem klassischen "Danish Cord", wie man es von vielen dänischen Möbelklassikern kennt.
Alvilde Holm: Das Thema der Ausstellung war Reduktion. Außerdem bekamen alle TeilnehmerInnen ein Briefing von einer Marke. Wir wussten aber nicht, welche – es war wie ein Blind Date. Meine Aufgabe war, einen stapelbaren Stuhl mit Polsterung zu entwerfen. Wir haben mit einem digitalen Tool für die Möbelindustrie gearbeitet, es heißt "Målbar" und berechnet, wie viele Emissionen ein Möbelstück verursacht. Ich habe verschiedene Materialien ausprobiert, und Papierschnur hatte sehr niedrige Emissionswerte. Es ist nachhaltiger als andere Polstermaterialien – aber es hat auch ein ganz anderes Erscheinungsbild. Ich wollte an die Grenzen des Materials gehen. Wie wenig Geflecht kann ich verwenden? Bei den Klassikern wird ja teilweise viel Schnur für die Bespannung verwendet. Der Stuhl sieht vielleicht aus, als wäre er nicht bequem, aber ich würde behaupten, dass er wirklich bequem ist (lacht).
Was reizt dich als Designerin daran, ein Möbelstück zu entwerfen?
Alvilde Holm: Ein Möbelstück hat etwas sehr Unmittelbares. Man kann Möbel sofort erfassen, sie haben denselben Maßstab wie der menschliche Körper. Ein Möbelstück erzählt dir eine Geschichte – und es ist Teil des Alltags. Wenn ich irgendwo hingehe, ist das Erste, was mir auffällt, die Stühle. Ich liebe unprätentiöse Alltagsgegenstände, benutzbaren Objekte.
Wie wichtig sind dir Neuheit oder Innovation, wenn du ein Möbelstück entwirfst?
Alvilde Holm: Als Designerin muss ich überzeugt sein, dass ich etwas Neues entdecken oder einen andere Zugang finden kann. Wenn ich davon nicht überzeugt wäre, könnte ich nicht arbeiten. Dann hätte ich schon längst aufgehört, Möbel zu entwerfen. Das muss nicht unbedingt etwas Großes sein, es kann auch um ein Detail gehen. Wie der Griff, den ich für die "Værktøj"-Ausstellung entwickelt habe. Ein kleines Ding, das ein bisschen anders ist als gewohnt. Aber ich denke nicht, dass man Möbel neu erfinden muss. Man sollte sie sich genau anschauen und fragen: Kann ich diese Rückenlehne ein bisschen besser machen? Könnte ich mit diesem Griff eine andere Geschichte erzählen?
Neben dem Möbeldesign beschäftigst du dich auch viel mit der Gestaltung von Ausstellungen und Szenografien. Wie bist du dazu gekommen?
Alvilde Holm: Ganz einfach: Mein Vater arbeitet als Ausstellungsgestalter. Wie ich ist er ausgebildeter Möbeldesigner, wechselte aber vor vielen Jahren zur Ausstellungsgestaltung. Er arbeitet frei, und wenn ein Projekt groß genug ist, holt er mich dazu.
Was macht die Arbeit an einer Ausstellung aus, auch im Unterschied zum Möbeldesign?
Alvilde Holm: Wir arbeiten mit vielen verschiedenen Leuten zusammen. Es gibt das Team des Museums, aber oft kommen auch WissenschaftlerInnen dazu – und natürlich GrafikdesignerInnen, LichtdesignerInnen, HandwerkerInnen, KünstlerInnen. Es geht viel um Zusammenarbeit und darum, zu verstehen, was die AuftraggeberInnen wollen. Mir macht das Spaß, ich lerne viel dabei. Und es ist unterhaltsam, bei jedem Projekt gehen wir anders heran.
Welche besonderen Fähigkeiten und Kompetenzen bringst du als Designerin in diese kollaborativen Prozesse ein?
Alvilde Holm: Ich denke, dass ich von oben auf die Projekte schauen kann. Die Ziele und Ideen aller Beteiligten in einem gelungenen Ganzen zusammenbringen. Ich muss in der Lage sein, schon im Prozess das Ergebnis zu sehen. Alles bis zum Ende zu denken. Zum Beispiel Raum zu lassen für die grafische Gestaltung, wenn die GrafikdesignerInnen erst später dazukommen. Mein Job als Designerin ist es, sowohl die Details im Blick zu haben wie auch das große Ganze.
Wo soll dich dein Weg als Gestalterin in den nächsten Jahren hinführen? Willst du weiterhin in verschiedenen Bereichen arbeiten oder dich spezialisieren?
Alvilde Holm: Tatsächlich bin ich sehr zufrieden damit, mal dies und mal das zu machen. Die verschiedenen Aufgaben inspirieren sich gegenseitig. Ich hoffe allerdings, dass ich mehr Möglichkeiten bekomme, meine Möbelentwürfe auch in die Produktion zu bringen. Um sie im echten Leben zu sehen – so wie es bei der Ausstellungsgestaltung passiert. Aber ansonsten möchte ich in zehn Jahren Möbel entwerfen, Ausstellungen gestalten und für KünstlerInnen arbeiten – genauso wie heute.