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Alexander Schwarz (David Chipperfield Architects), Urs Vogt (David Chipperfield Architects), Nicole Heptner (JUNG), David Chipperfield, Peter Cachola Schmal (DAM) (v.l.n.r.)

Schöne Hülle für Handlung

Die James-Simon-Galerie von David Chipperfield Architects gewinnt den DAM-Preis 2020.
von Fabian Peters | 31.01.2020

Es war ein Favoritensieg, aber ein in der Summe aller Aspekte fraglos gerechtfertigter: Die James-Simon-Galerie, das neue Zugangsgebäude zur Berliner Museumsinsel von David Chipperfield Architects bekommt den wichtigsten jährlichen Architekturpreis in Deutschland, den DAM-Preis, verliehen. Chipperfield und sein Büro sind damit die ersten Preisträger, die die Auszeichnung bereits zum zweiten Mal erhalten. 2010 ging das Neue Museum, an das die James-Simon-Galerie unmittelbar angrenzt, als Sieger aus dem Wettbewerb hervor.

Mit Chipperfields Projekt hat sich die Jury für das größte, teuerste und langwierigste Projekt aus dem Finalistenfeld entschieden. Es ist zugleich auch dasjenige, das die größten Anforderungen an seine Architekten gestellt hat – lag der Baugrund doch nicht nur inmitten des Weltkulturerbes Museumsinsel und vis-à-vis einer architektonischen Inkunabel, Schinkels Altem Museum, sondern besaß auch einen extrem schwierigen Untergrund direkt an der Spree.

David Chipperfield und sein zuständiger Büropartner Alexander Schwarz haben die Herausforderungen bravourös gemeistert, wie man nach Fertigstellung des Baus nur konstatieren kann. Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architekturmuseums DAM, betonte in seiner Würdigung, dass der Bau eine so gelungene Ergänzung des Museumsensembles und des Stadtbildes darstelle, dass man im Nachhinein erstaunt feststelle, wie sehr er zuvor gefehlt hat. Hoffentlich ist der Preis für Chipperfield auch ein wenig Genugtuung für die teils harschen Anfeindungen, mit denen er und sein Entwurf sich vor und während der Bauzeit konfrontiert sahen.

In seiner kleinen Dankesansprache hielt David Chipperfield sich mit seinen nun verstummten Kritikern gar nicht lange auf. Rückblickend, so resümierte er, sei die schwierigste Aufgabe eigentlich gewesen sei, dem Gebäude eine unverwechselbare Identität zu verleihen – leite diese sich doch zumeist aus der Hauptfunktion des Gebäudes ab. Die James-Simon-Galerie aber sei nicht im eigentlichen Sinne um einen Inhalt herum gebaut worden. Sie beherberge keine Sammlung, die ein Dach über dem Kopf benötige. Vielmehr sei der Bau eine Hülle für Handlung, für Dynamik, für Dialog. Hier finden Vorträge und Konferenzen statt, treffen sich Besuchergruppen, werden Audioguides ausgegeben, Eintrittskarten verkauft und vieles mehr. Wichtig war den Architekten, wie Chipperfield betont, dass der Bau sich nicht in erster Linie an Touristen, sondern an die Berliner selbst richtet. Sie sollten einen neuen Stadtraum erhalten. Deshalb entwarfen sie die großen Terrassen, Aussichtspunkte und Wandelgänge des Gebäudes als Orte, die für alle, ganz gleich ob Museumsbesucher oder nicht, zugänglich sind. Die James-Simon-Galerie soll, wie David Chipperfield sagt, eine generöse Geste an die Stadt und ihre Bewohner darstellen.

Aus diesem Anspruch heraus entwickelten Chipperfield und seine Mitarbeiter einen Entwurf, bei dem, wie der Architekt es in seiner Ansprache ausdrückte, die Funktion regelrecht in den Untergrund weggedrückt wird. Das Aussehen bestimmen dagegen die repräsentativen Bereiche – die Foyers, Terrassen, Freitreppen, das Restaurant. Für diese Teile der James-Simon-Galerie haben die Architekten eine Architektursprache gefunden, die den Bau nahtlos in den Bestand einfügt und trotzdem seine Entstehungszeit keinesfalls verleugnet. "Man darf die historische Architektur nicht kopieren, man muss sie sich zu eigen machen. Man muss sie als modern begreifen", beschreibt Projektleiter Alexander Schwarz anlässlich der Preisverleihung seinen Ansatz bei der Gestaltung der James-Simon-Galerie und fügt hinzu: "Mir war wichtig, dass das Gebäude nicht mit seinen technischen Leistungen prahlt."

Christina Gräwe, Yorck Förster (DAM), Andreas Krawczyk, Nicole Kerstin Berganski (NKBAK), Robert Volhard, Franziska Michaelis (Stylepark), Peter Cachola Schmal (DAM)

Unter den fünf Finalisten befand sich auch der Neubau, den das Frankfurter Büro NKBAK für Stylepark errichtet hat. Die Jury hatte sich in der letzten Runde zwischen extrem unterschiedlichen Entwürfen zu entscheiden: Neben der James-Simon-Galerie und dem Stylepark-Gebäude standen das neue Redaktions- und Verlagsgebäude der taz von E2A, das Mehrfamilienhaus "einfach gebaut" von orange architekten, beide in Berlin, und das Eingangsgebäude des Freilichtmuseums im oberbayerischen Glentleiten von Florian Nagler Architekten in der Endauswahl. Nicht nur die Funktionen der fünf Gebäude, auch Bauvolumen und Budget differieren erheblich. Sicherlich aber bot keines der anderen Projekte eine vergleichbare Mischung aus künstlerische Freiheit und Bauetat, wie sie David Chipperfield Architects bei der James-Simon-Galerie zur Verfügung stand. Da kann man schon fast ein wenig von einem Pflichtsieg sprechen, der gleichwohl hochverdient ist.

Unter den fünf Finalisten: Der Stylepark-Neubau von NKBAK am Frankfurter Peterskirchhof