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Ein Blick nach Süden lohnt sich: Die Feria Habitat Valencia zeigt neues spanisches Design.

Sie ist wieder da!

Die Feria Habitat Valencia ist zurück – und das ist gut so. Ein Blick auf die Neuheiten aus dem Süden.
von Adeline Seidel | 15.10.2017

Die Feria Habitat Valencia galt mit dem Mailänder Salone del Mobile, der IMM Cologne und der Stockholm Furniture Fair zur Quadriga der relevantesten Möbelmessen in Europa. Doch dann kam die Krise.

In einem Land wie Deutschland, dessen Wirtschaft sich ja aktuell in einer Art Föhnlage befindet, fällt es manchmal nicht leicht, sich vorzustellen, was es bedeutet, in einer Krise zu leben. Wie bei vielen ökonomischen und sozialen Veränderungswellen begann der Prozess langsam, um dann Richtung Tal Fahrt aufzunehmen. Die Zahlen: 2007 lag der Jahresumsatz bei knapp 8,6 Milliarden Euro. 2008, ein Jahr nach dem Ausrufen der Krise, war er auf 7,2 Milliarden Euro gesunken, um schließlich fünf Jahre und die üblichen Multiplikationseffekte später im Jahre 2012 auf einen Tiefststand von 3,7 Milliarden anzukommen. Mit anderen Worten: Der spanische Möbelmarkt verlor innerhalb von nur sechs Jahren 57 Prozent seines Umsatzes. Die Folgen kann ein jeder sich denken. Für die Messe Habitat Valencia bedeutete es, dass sie für eine Weile nicht stattfand und sich dann der Keramikmesse "Cevisama" anschloss.
 
Und nun, endlich, ist sie wieder da, die Habitat Valencia: Vier Messehallen waren mit Herstellern gefüllt. Sogar ein paar, wenn auch wenige, ausländische Unternehmen wie Schönbuch und Brokis haben es nach Valencia geschafft und konnten durchaus von erfolgreichen Messetagen sprechen. Vielleicht mag man den einen oder anderen großen Namen aus Spanien vermisst haben, aber die Hersteller, die vor Ort waren und ihre Neuheiten präsentierten, setzten mit ihrer Präsenz Zeichen: Für Vertrauen in den sich stabilisierenden spanischen Markt und die Notwendigkeit einer Präsentationsmöglichkeit auf der iberischen Halbinsel. Ein Blick in den Süden auf das spanische Design lohnt allemal – besonders dann, wenn gerade alle Welt in den Norden schaut und sich ganz verhyggt gibt. Deswegen ein Überblick über die Neuheiten der Messe.

"Lipstick" von José A. Gandia-Blasco für Diabla
"Valentina" von Alejandra Gandia-Blasco für Diabla

Die Teuflische: Gandia Blascos Schwester

Nicht nur neue Produkte, sondern gleich auch ein neues Label: Gandia Blasco launchte auf der Feria Habitat ihr neues Label "Diabla" mit einem Messestand, der im satten Rot strahlte. Wenn das die feminine Form der Hölle sein sollte, dann kann man dort ganz wunderbar Platz nehmen und verweilen. Diabla wartet gleich mit mehreren neuen Produkten auf. Da wäre zum Beispiel "Valentina", gestaltet von Alejandra Gandia-Blasco. Die Kollektion, bestehend aus Sofa, Liege, Sessel und Tisch, ist äußerst filigran und bequem macht sich ebenso gut im Wohnzimmer, wie in Diablas Messe-Purgatorium. "Lipstick" von José A. Gandia-Blasco dagegen ist – ganz wie der Name vermuten lässt – ein runder Stuhl, kräftig und gar nicht schüchtern.

"Nuez Chair" von Patricia Urquiola für Andreu World

Die Vielseitige: Patricia Urquiola für Andreu World

Der Stand von Andreu World war ganz im Patricia Urquiola-Fieber und zeigte, wie gut Arbeiten und Wohnen mittlerweile zusammengehen. Hierfür wurde dem erfolgreichen "Nuez Chair" ein Polster verliehen, was dem Stuhl sowohl am Ess- wie auch am Konferenztisch zum idealen Gefährten macht. Und wie alle Andreu World Produkte, ist auch dieser nachhaltig produziert. 

"Lana" von Yono für Ondarreta

Der Jubilar: Capdell feiert seinen 50.

Mit 50 Jahren hat man so manches schon erlebt. Auch die eine oder andere Krise. Und so scheint es, als habe ein traditionsreiches Unternehmen, wie es Capdell ist, seine eigenen Strategien fürs dauerhafte Bestehen entwickelt hat. Und die lauten, so Capdells Exportmanager Gauthier de Nutte, "gutes Design, gute Qualität und eine sehr persönliche Kundenbetreuung". Das könne auch einmal bedeuten, so Gauthier de Nutte, dass man sich selbst zu einem Kunden ans andere Ende Welt aufmacht, um Produkte zu warten – mit dem Erfolg, weiterhin diesen Kunden beliefern zu können. Man könnte es auch Kundenbindung der Extraklasse nennen, wenn die Führungsriege am Produkt selbst mit anpackt. Und auch die neuen Produkte stehen nicht nur für gutes Design, sondern auch für Langlebigkeit. Wie beispielsweise Patrick Norguets Sitzlandschaft "Insula" für den Contract-Bereich.

"Norman" von Savage für Carmenes
Detail "Norman"

Noch mehr neue Produkte und junge Designer

Das Label Ondarreta aus San Sebastian zeigte seine neuen Produktfamilien: den stapelbaren Stuhl "Contour" von Ben van Berkel/UN Studio, den Beistelltisch und Loungesessel "Lana" von Yonoh und die Tisch- und Stuhl-Kombination "Bai" von Ander Lizaso. Bei Carmenes konnte man – neben den aktuellen Neuheuten wie dem Sessel "Norman" von Savage – bereits einen Blick auf einen Prototypen des jungen Designerduos "We are Forms" werfen. "Sunset" heißt der Lounge Chair, der unter Beweis stellt, dass auffällige Form und reduzierte Gestaltung keine Gegensätze sind.

"Contour" von Ben van Berkel/UN Studio für Ondarreta ist stapelbar.

Apropos junges Design aus Spanien: Die Messe präsentierte auf der Sonderausstellung "Nude" spannende junge Designer. Dazu gehörten die bereits erwähnten "We are Forms" – Carlos Tur und Elena Martínez – die nicht nur den Lounge Chair "Sunset" zeigten, sondern auch ihre reduzierte Leuchte "Eclipse" und die Schalen "Volcano". Borja Sepulcre studierte Industriedesign in Valencia und arbeitete bereits für Viccarbe, Marset und Oscar Diaz Studio. In Valencia präsentierte er seine leichte und flexible Hängeleuchte "Luca". 

Designer Borja Sepulcre
Hängeleuchte "Luca" von Borja Sepulcre

Weniger ausgetretene Pfade in Sachen Produkt- und Möbeldesign gehen Diego Bernardeau und Alex Gomezslok. Zusammen sind sie Algostudio und entwickeln Möbel für digitale Nomaden und – wie sie es selber auch sind – Surfer und andere Outdoorfreunde. Da ist beispielsweise die aufblasbare Matratze "La Cama", die jeden Kofferraum samt Rückbank in eine brauchbare Schlafstätte verwandelt und die sich leicht auf dem Rücken überall hintragen läßt. Oder "La Cocina", eine kleine Küche für draußen. Diesen Sinn für positiven Pragmatismus in Kombination mit gesundem Selbstbewusstsein fand man allerorts auf der Messe. Und auch die aktuellen Zahlen spiegeln es wieder: es geht bergauf. Der Jahresumsatz der spanischen Möbelindustrie erreichte 2016 knapp 4 Milliarden Euro. Von Januar bis Juni 2017 hat der Möbelexport um 4,5 Prozent zugelegt – sonnige Aussichten also erst einmal. 

Carlos Tur und Elena Martínez sind We are Forms
Lounge Chair "Sunset" von We are Forms