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Leon Felix Voss

GESUNDHEIT
Anstoß zur Veränderung

Unter dem Motto "Sustainable society – Design for a greater good" haben wir kürzlich zum ersten Mal den Stylepark HfG Rundgangpreis verliehen. Ausgezeichnet wurde das Projekt "Connect" von Leon Felix Voss, das die bisherige Medikamentenkette optimieren könnte. Teil der Jury waren neben den HerausgeberInnen von Stylepark, Franziska von Schumann und Robert Volhard, auch der international erfolgreiche Designer Sebastian Herkner, selbst ein Alumnus der HfG sowie der Produktgestalter Prof. Tom Hirt, Deutsche Bahn.
23.07.2022

Im Zuge seines diesjährigen Vordiploms hat Leon Felix Voss, Student bei Prof. Peter Eckart an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, das System von der Tablettenherstellung über die Verpackung und den Transport bis zur Ausgabe analysiert. Das Ergebnis ist zum einen der Vorschlag, wie man dieses umstellen müsste damit es effizienter wäre – hinsichtlich der Reduktion des Verpackungsmülls wie mit Blick auf die Zeitersparnis bei der Sortierung der Tabletten und Befüllung der Behälter. Zum anderen hat der angehende Produktdesigner einen Mehrwegprototypen für den Behälter selbst entworfen, der die bisherige Einweglösung ersetzen könnte.

Anna Moldenhauer: Leon, wie bist du auf die Idee für "Connect" gekommen?

Leon Felix Voss: Im Zuge der Erkrankung eines Familienmitgliedes habe ich gesehen, wieviel Probleme das Sortieren der Tabletten bereitet und wieviel Müll im Zuge dessen entsteht. Diesen Prozess wollte ich optimieren. Die Grundidee für eine neue Form des Tablettenspenders war daher bereits Teil meiner Bewerbungsmappe für die Hochschule.

Wie kann ich mir deine weitere Recherche vorstellen?

Leon Felix Voss: Informationen darüber zu finden, wieviel Müll in dem bisherigen System entsteht, war nicht einfach. Daher musste ich mir für mein Projekt die notwendigen Basisinformationen quasi ableiten, in dem ich Schätzwerte ermittelt habe wieviel Tabletten am Tag an die PatientInnen verteilt werden und welche Mengen Verpackungsmüll dabei entsteht.

Hattest du die Möglichkeit in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen zu recherchieren?

Leon Felix Voss: FreundInnen und Bekannte, die in diesen Institutionen arbeiten, haben mir das bisherige System geschildert. Dabei habe ich mit jedem Gespräch mehr bestätigt bekommen, dass dieses einfach nicht effizient und ressourcenschonend ist.

Hast du auch erfahren können, warum das System bisher nicht optimiert wurde?

Leon Felix Voss: Es gibt zahlreiche Regularien, die eine Optimierung bislang erschweren, wie hinsichtlich der Sterilisation der Tabletten. Bei Lagerung und Transport dürfen sich diese beispielsweise bislang nicht berühren. Das sind Faktoren, die das große Ganze komplex werden lassen. Mein Systemoptimierung ist daher eher abstrakt gehalten, denn für eine Realisation muss sich vorab in der Industrie noch viel ändern. Mir ging es in erster Linie darum, den Startpunkt zu setzen und einen Denkanstoß für eine Veränderung zu geben. Für mich ist das ebenso eine Aufgabe von GestalterInnen wie das Produktdesign an sich.

Was war deine Idee, die der Systemveränderung zu Grunde lag?

Leon Felix Voss: Was ich verändern wollte, waren die Punkte Zeit effizienter nutzen und Plastikmüll reduzieren. Sowohl hinsichtlich der Medikamentenverteilung, wie mit Blick auf die Zeitersparnis beim Pflegepersonal. Durch meinen Professor Herr Peter Eckart habe ich zudem den Anreiz bekommen darüber nachzudenken, wie das System der Verteilung für die PatientInnen zugänglicher werden kann. Dadurch haben sich für mich drei Phasen herauskristallisiert: der Lieferweg, der Automat für die Sortierung der Medikamente und der Behälter, den ich schlussendlich als Produktprototypen entwickelt habe.

Gab es einen Grund, warum du dich für die Entwicklung eines Prototyps auf den Behälter fokussiert hast?

Leon Felix Voss: Ja, denn der Behälter repräsentiert das System und bildet die Brücke zwischen der Gesundheitsbranche und den PatientInnen. Der personalisierte Behälter vermittelt darüber hinaus im Gegensatz zu den in der Medikamentenausgabe bisher verwendeten Shotbechern auch eine Form der Wertschätzung.

Was war dir bei der Formgebung wichtig?

Leon Felix Voss: Im Laufe des Prozesses habe ich viele Formen ausprobiert um festlegen zu können welche Voraussetzungen gegeben sein müssen – zum Beispiel das der Behälter eine gewisse Größe haben sollte, damit dieser auch von allen Altersgruppen problemlos gehandhabt werden kann. Zudem sollte er in der Form vielschichtig sein, denn nicht jede Patientin, nicht jeder Patient nimmt die Medikamente in der gleichen Weise ein. Auch galt es in der Entwicklung die Sicht der Pflegekräfte zu berücksichtigen, die möglichst schnell erkennen müssen für wen der Behälter mit dem entsprechenden Inhalt ist. Durch stetige Versuche im Prototypenbau habe ich dann die finale Form gefunden. Ein sicheres Stapeln, mit Hilfe eines Klemm Systems, war ebenso wichtig.

Die Formen, die zum Endprodukt geführt haben, konnte man dann in der Ausstellung zum HfG Rundgang begutachten.

Leon Felix Voss: Ganz genau, durch die treppenartige Aufreihung der ersten Prototypen ist es möglich den Formalästhetischen Prozess nachzuvollziehen.

Auch wenn der Behälter ein Prototyp ist, was war dir bei der Materialwahl wichtig? Gab es Überlegungen hinsichtlich der Verwendung von recyceltem Kunststoff oder biologisch abbaubaren Material?

Leon Felix Voss: Der Kunststoffbehälter ist zweiteilig aufgebaut, so dass dieser im Spritzgussverfahren hergestellt werden kann. Ich habe mich zudem darauf konzentriert, dass der Kreislauf in einem Mehrwegsystem möglich ist und somit der Verwendete Kunstoff innerhalb des System bleibt, dennoch können recycelte Kunststoffe für den Behälter verwendet werden.

Müsste für die Systemoptimierung noch eine Maschine entwickelt werden, die die Desinfektion der Behälter sicherstellt?

Leon Felix Voss: In meiner Vorstellung übernimmt der Automat, den ich für das Projekt abstrakt gestaltet habe, alle Funktionen: Die Tabletten werden von diesem sortiert und ausgegeben, verwendet und die Behälter anschließend gereinigt und neu beschriftet. Die Maschine soll bis zur Ausgabe der Medikamente alle hauptsächlichen Arbeitsschritte übernehmen, die sonst zu Lasten der Zeit gehen würden, die die Pflegekräfte für die PatientInnen zur Verfügung haben.

Bisheriges System der Medikamentenkette
Medikamentenkette neu mit "Connect"

Wo wurde sich der Apparat im Gebäude befinden?

Leon Felix Voss: Im Moment haben die Medikamentenschränke einen bestimmten Raum in den Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, die Technik des neuen Systems würde dann diese dort ersetzen.

Wie möchtest du mit der Idee der Prozessoptimierung im Gesundheitssystem weitergehen?

Leon Felix Voss: Da eine Realisation meines Konzepts von der Veränderung sehr vieler Faktoren des bisherigen Systems abhängig ist, sehe ich meine Aufgabe als Gestalter im Moment eher darin Denkanstöße zu geben. Ich denke mich gerne in technische Prozesse ein, um diese zu optimieren. Zudem finde ich die Gestaltung schrecklich, der ich bislang in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen begegnet bin. Interessant war für mich, wieviel Skepsis der Vorschlag eines Re-Designs oder einer Prozessoptimierung für den Gesundheitsbereich auslösen kann. Neben der Idee zu "Connect" habe ich mich beispielsweise mit der Neugestaltung eines Rollstuhls beschäftigt, da wurde ich mit der Frage konfrontiert, ob es notwendig ist ein medizinisches Produkt, das vor allem funktionell sein, so zu gestalten. An einem Rollstuhl ist jedes Detail durchdacht, bleibt da noch Platz für Gestaltung? Ich finde ja, denn die reine Funktion eines medizinischen Produkts trägt nicht zum Wohlgefühl der erkrankten Person bei. Ich möchte daher mit "Connect" zeigen, dass das Motto 'Less is more. Less is too little.' auch auf unser Gesundheitssystem übertragen werden kann.