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"Instant Dining Chair"

JUNGE TALENTE
Möbel aufgießen

Judith Burgard studiert an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Industriedesign und hat die Möbelserie "Instant" entworfen. In die finale Form gebracht wird diese mit heißem Wasser. Wir haben bei ihr nachgefragt, wie der Designprozess im Detail funktioniert und welche Eigenschaften der Holzwerkstoff für die "Brühmöbel" haben muss.
von Elisabeth Bohnet | 29.01.2024

Judith Burgards Idee entstand als Experiment: Die Fundermax GmbH startete im Sommersemester 2023 ein Kooperationsprojekt mit der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Für die Umsetzung stellte der österreichische Hersteller den Studierenden unter der Leitung von Prof. Klaus Michel und dem Künstlerischen Mitarbeiter Jacobo Cuesta Wolf den acht Millimeter schlanken Holzwerkstoff "Funderplan" zur Verfügung. "Wir hatten großes Glück und haben viel Material bekommen. Damit sollten wir Möbel entwickeln. Das war die einzige Bedingung", so Burgard. Im Rahmen dieser Kooperation entwarf sie "Instant", eine Steckmöbelserie bestehend aus einem Stuhl und einem Lounge Chair; weitere Produkte wie Tische und eine Garderobe befinden sich noch in der Entwicklungsphase. "Der Plattenwerkstoff hat besondere Eigenschaften. Mit ihm kann man Instant-Möbel realisieren, die als Schnittmuster versendet werden. Durch das Eingießen von kochendem Wasser in ausgefräste Vertiefungen lässt sich der Werkstoff temporär verformen. Bei meinem Stuhl befindet sich hierfür an der Rückenlehne eine kleine Einkerbung. Wenn das Wasser eingezogen ist, wird das Material biegbar, dann kann man ihn formen und zusammenstecken. Nach dem Trocknen und Abkühlen erreicht er wieder die gleiche Stabilität, wie zuvor.", erklärt sie.

"Instant Dining Chair": Flach geliefert, mit kochendem Wasser in Form gebracht

Auf die Frage, wie sich Burgard dem Entwurf genähert hat, erinnert sie sich: "Die Idee kam schon an Tag eins. Ich habe zuerst einen kleinen Maßstab getestet, in diesem hat das Material allerdings nicht funktioniert. Als ich große Formen ohne engen Radius ausprobiert habe, funktionierte es plötzlich. Irgendwann dachte ich: Ich wollte schon immer einen Stuhl machen. Als ich merkte, es könnte klappen, bin ich einen Schritt zurückgegangen und habe wochenlang viele kleine Papiermodelle und Schnittmuster gebaut. Alle Modelle waren Steckmöbel, aus einem Material gefertigt und ohne komplizierte Techniken. Die Entscheidung fiel letztlich auf ein Modell, bei dem die Rückenlehne gebogen ist – die einzig schlüssige Lösung." Der finale Entwurf besteht aus vier Teilen: Das größte Teil, bestehend aus Lehne und Beinen, wird gebogen und fixiert, indem U-förmige Querstreben eingesteckt werden. Darauf wird die Sitzfläche montiert. Alle Elemente sind verhakt, eine weitere Sicherung ist nicht nötig. "Das tolle am Material ist, dass dafür der ganze Baum verwendet wird. Von den Wurzeln, zu den Ästen: alles wird zerhexelt und ohne petrochemische Bindemittel allein mit dem freigesetzten baumeigenen Lignin durch Hitze und Druck gepresst – so entsteht die Platte. Für mein Projekt war der Werkstoff ideal geeignet. Die Platten sind dünn, aber dennoch sehr stabil", so Burgard. Der Herstellungsprozess der "Brühmöbel" garantiert eine platzsparende Lagerung und Logistik, ebenso kann das Material im Sinne der Kreislaufwirtschaft vollständig rückgeführt werden. Zudem ist ihr außergewöhnlicher Aufbau eine angenehme Abwechslung: Statt das Möbel zu verschrauben, wird es einfach aufgegossen.

Judith Burgard studiert im siebten Semester Industriedesign an der Kunsthochschule Halle. Aktuell absolviert sie ein Praktikum bei dem Designer Christian Werner in Hamburg, der über "Instant" auf sie aufmerksam wurde. Ihr Projekt wurde mit dem GiebichenStein Designpreis 2023 ausgezeichnet.