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Jeannette Altherr

Drei Fragen an Jeannette Altherr

Jeannette Altherr zu der aktuellen Kreativausrichtung von Arper, was nachhaltiges Design nicht vermitteln sollte und warum wir diesem mit dem Wunsch nach Perfektion manchmal im Weg stehen.
17.09.2021

Anna Moldenhauer: Jeannette, welche Ausrichtung strebst du als Kreativdirektorin für Arper aktuell an?

Jeannette Altherr: Nachhaltigkeit ist definitiv ein ganz großes Thema. Schon vor der Pandemie haben wir einen Entwurf für einen nachhaltigen Messestand vorgelegt. Ich hoffe das unsere Ideen hierzu im nächsten Jahr zum Einsatz kommen können. Was wir unbedingt erweitern wollen, ist die Nachhaltigkeit noch viel umfassender anzugehen und transparenter zu erklären. Im Katalog haben wir deshalb zu jedem Produkt eine Erklärung hinzugefügt, wie die Materialien und andere Aspekte im Hinblick auf Nachhaltigkeit gestaltet sind. Die Thematik ist sehr komplex und wir möchten eine Vermittlung und Form finden, die sehr klar und didaktisch ist, aber dennoch eine visuelle Qualität hat – und nicht als Verzicht oder als weniger wertig wahrgenommen wird. Nachhaltige Produkte dürfen nicht mit einem Verlustgefühl einhergehen, sondern sollten als Bereicherung wahrgenommen werden. Die Freude am nachhaltigen Design für die NutzerInnen zu übersetzen ist essenziell wichtig. Parallel reicht die Nachhaltigkeit als Alleinstellungsmerkmal nicht aus, ein Produkt sollte als Ganzes überzeugen.

Der "Kata" Lounge Chair, den du für Arper entworfen hast, bietet nicht nur ein 3D Strickgewebe aus recyceltem Polyester, sondern ist auch der erste Sessel im Sortiment mit Massivholzgestell aus FSC-zertifizierter Eiche und Robinie. Warum habt ihr euch zu diesem Schritt entschieden?

Jeannette Altherr: Die Entscheidung ist in der Struktur begründet. Wir wollten Holz verwenden weil es ein warmes Material ist, aber diese Art von Form kann man mit per se nachhaltigerem Schichtholz praktisch nicht umsetzen, es wäre widersinnig. Die sichtbaren Streifen des Schichtholzes würden die Ästhetik und Form sehr beeinflussen. Dennoch haben wir es geschafft den Materialverbrauch sehr klein zu halten, selbst für die leicht kurvigen Elemente.

Inwieweit hatte diese Reduktion im Material bei "Kata" Einfluss auf das finale Design?

Jeannette Altherr: Materialreduktion im Sinne des Volumens ist einer der Grundprinzipien von nachhaltigem Gestalten – ein anderes ist das Akzeptieren von Beschränkungen der Möglichkeiten. Bei "Kata" mussten wir zum Glück keine Kompromisse eingehen. Das ist aber nicht selbstverständlich, denn recycelte oder nachhaltige Materialien bieten nicht immer die Möglichkeit über die Mengen oder die Farbe des Materials zu entscheiden. Die Kontrolle lässt sich nicht umfassend behalten. Für DesignerInnen ist das kein einfacher Prozess, denn es stellt die Grundpfeiler ihrer Arbeit in Frage: Kontrolle und Reproduzierbarkeit. Wir kennen das schon lange von Leder. Unbehandeltes Leder ist "nobler", aber es hat eine unregelmäßige sowie empfindliche Oberfläche, und diese Eigenschaften werden seitens der NutzerInnen nicht gut angenommen. Ich denke da sollte auch ein Umdenken stattfinden, denn natürliche Oberflächen können nicht immer perfekt sein und werden sich im Laufe der Zeit verändern. Gleiches gilt im Übrigen für Plastik, auch wenn es recycelt ist. Daher haben wir für den Sessel "Adell" zum Beispiel eine organische Oberflächenstruktur geschaffen, die kleine Kratzer verzeiht, weil sie optisch kaum darin auffallen. Ich denke solche Strategien sollten wir vermehrt erkunden, um Produkte auf lange Sicht auch optisch haltbarer zu gestalten.

"Adell"
"Kata"