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Spätes Spektakel

Kengo Kuma hat ein neues Museum gebaut. Das Kadokawa Culture Museum in der Metropolregion von Tokio präsentiert sich als archaische Schmuckschatulle und lotet die Möglichkeiten des Werkstoffs Stein aus.
von Alexander Russ | 27.08.2020

Es wirkt ein bisschen wie aus der Zeit gefallen, das neue Museum von Kengo Kuma in Tokorozawa. Das liegt aber nicht nur an der Handschrift des Architekten, sondern vor allem an der Nutzung des Gebäudes. Das sogenannte Kadokawa Culture Museum ist Teil der Tokorozawa Sakura Town, einer Art Themenpark mit Hotel, Buchladen, Gastronomie und einem Pavillon für diverse Events. Sogar an einen Schrein wurde gedacht, der ebenfalls von Kuma entworfen wurde. Bauherr ist der Verlag Kadokawa, der unter anderem auf Mangas spezialisiert ist. Kein Wunder also, dass sich der Komplex vor allem der japanischen Popkultur widmet. Das gemeinsam mit der Gemeinde Tokorozawa entwickelte Konversionsprojekt, das auf dem vier Hektar großen Gelände einer ehemaligen Kläranlage entwickelt wurde, legt laut Pressemitteilung "einen Fokus auf die Entwicklung der Region mit dem Ziel, Natur, Kultur und Industrie in Einklang zu bringen". Kumas Museum dürfte dafür wohl als Zugpferd dienen, um die Massen in die etwa 30 Kilometer von Tokios Zentrum entfernte Stadt zu locken. Womit man bei der Krux der ganzen Sache wäre, denn Covid 19 hat bekanntlich viele Gewissheiten durcheinandergewirbelt. Und so kommt das Konzept eines Vergnügungsparks seltsam veraltet daher. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob das auch für die Architektur des Museums gilt. Der steinerne Monolith, den Kuma dafür entworfen hat, passt jedenfalls eher in eine Ära, als Städte wie Bilbao den wirtschaftlichen Aufschwung mit Hilfe von "Starchitekten" wie Frank Gehry suchten.

In seiner Erscheinung gibt sich der mit Granitplatten verkleidete Bau fast komplett geschlossen. Nur einige großzügig ins Volumen eingeschnittene Öffnungen dienen als Fenster und unterstreichen die Plastizität des Baukörpers. Die fünf Geschosse sind folglich von Außen nicht ablesbar, genauso wenig wie der Inhalt der architektonischen Schmuckschatulle. Der ist entsprechend des Nutzungskonzepts eher eklektisch: Das Erdgeschoss beherbergt einen neutralen, durch Stützen gegliederten und circa 1.000 Quadratmeter großen Ausstellungsraum, in dem passenderweise gerade eine Retrospektive zum Werk von Kuma zu sehen ist. Zudem gibt es eine kleine Bücherei mit den von Kadokawa veröffentlichten Büchern und Comics. Im ersten Geschoss ist das Café mit angrenzendem Shop untergebracht und im zweiten Geschoss eine Ausstellungsfläche, die sich dem Thema Anime widmet. Einen Höhepunkt hält das dritte und vierte Geschoss bereit: Hier kann man das "Bücherregal-Theater" bewundern, in der die Technik des "projection mapping" zum Einsatz kommt. Die acht Meter hohen Regale werden dort mittels einer speziellen Projektionstechnik zum Leben erweckt und schweben mit ihrem Inhalt von etwa 50.000 Büchern virtuell der Decke entgegen. Bei soviel Budenzauber scheint die steinerne Erdung des Gebäudes eine notwendige Konsequenz zu sein, ebenso wie die Verpackung des wenig kohärenten Inhalts in eine konforme Hülle.

Dabei ist das Gebäude natürlich nicht der erste Ausflug des Architekten in monolithische Gefilde. Bereits in seinem Steinmuseum in Nasu aus dem Jahr 2000 lotete Kuma die gestalterischen Möglichkeiten des Materials aus, und schuf Räume, die zwischen leicht-schwer und offen-geschlossen changierten. Auch das Kadokawa Culture Museum spielt mit Gegensätzen. Die ergeben sich aus der Anordnung des Steins, der ein pixelartig und artifiziell anmutendes Muster auf der Fassade des archaischen Körpers erzeugt. Trotz der kunstvollen Verzahnung der 20.000 individuell bearbeiteten Granitplatten mit der polygonalen Geometrie, fehlt dem Gebäude die poetische Ambivalenz, die andere Werke des Japaners auszeichnen. Es überwiegt dann doch das Spektakel. Im Moment ist es auch das einzige Highlight, das die Tokorozawa Sakura Town zu bieten hat: Während das Museum bereits im August eröffnet wurde, sollen die anderen Einrichtungen aufgrund des Corona-Virus erst im November in Betrieb genommen werden. Ob der von Kuma entworfene Schrein genutzt wird, ist nicht bekannt. Ein bisschen göttliche Hilfe könnte in diesen Zeiten aber nicht schaden.