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Mehr als ein Café

Der Österreicher und Wahl-Pariser Robert Stadler hat das traditionsreiche KWM Krefeld um ein Kaffeehaus bereichert, das dem Wiener Vorbild alle Ehre macht. Als Gesamtkunstwerk trägt es den Geist der produktiven Verbindung von Kunst, Handwerk und Industrie in die Moderne und lässt Design und Leben, Tradition und Innovation spielerisch verschmelzen.
29.04.2022

Das Haupthaus des Museumskomplexes der Kunstmuseen in Krefeld wurde 1897 als Kaiser Wilhelm Museum im Zeichen der Reformbewegung gegründet – einer Philosophie, die sich im deutschen Werkbund fortsetzen sollte und einer Vision, die bis heute lebt: bereits seit 2018 sind Kunstschaffende aus unterschiedlichen Disziplinen dazu eingeladen, sich im Rahmen der sogenannten Sammlungssatelliten mit der Sammlung, Museumsgeschichte und der Architektur vor Ort auseinanderzusetzen und neue Zugänge zu finden. Mit dem Sammlungssatelliten #7 hat der Designer Robert Stadler demnach nicht nur einen multifunktionalen Ort für Kaffee, Kommunikation, Konferenzen, Kino und mehr geschaffen, sondern auch eine laufende Ausstellung konzipiert, die die Werte des Museums in ein zeitgemäßes Gesamtkunst­werk zum Anfassen verpackt.

Das K+ Café im KWM fungiert als ortsspezifische Designinstallation und multifunktionaler Raum zugleich – ganz im Sinne des "Erbauers" Robert Stadler, der bereits mehrere Ausstellungen an namhaften Orten wie der Galerie Poirel in Nancy, im MUDAM Luxemburg, im Noguchi Museum in New York, in der Kunsthalle im Lipsiusbau in Dresden oder im La Pelota während der Mailänder Designwoche 2018 konzipieren durfte. Stadlers Ansatz: eine Ausstellung, wie auch ein Interieur können auf inhaltlicher sowie ästhetischer Ebene die Herausforderung stellen, den Besucher als aktiven Teil des Projektes miteinzubeziehen. In diesem Sinne ist es dem Designer gelungen, einen neuen, surrealen Blick auf die Geschichte und Identität der Kunstmuseen Krefeld und die textile Tradition zu werfen.

Als Katia Baudin bei Stadler anrief, hatte die Museumsdirektorin bereits ein Briefing an der Hand, welches laut Stadler "gleichermaßen präzise wie ehrgeizig war". Dabei bedeutete die Kombination aus Design und Gastronomie kein Neuland für den Österreicher, der bereits äußerst erfolgreich ein Café-Kette in Paris für Gilbert und Thierry Costes gestaltet hatte: "Nach meiner ersten Besichtigung des Raumes für das zukünftige Konzept war mir sofort klar, dass Farben eine Hauptrolle in diesem Projekt spielen werden." Über all dem schwebte von Anfang an der Wunsch der Museumsdirektorin, kein "normales" Museumscafé sondern ein Gesamtkunstwerk zu kreieren, das dennoch allen funktionalen Anforderungen gerecht werden sollte.

Der Ort selbst spielte aufgrund seiner direkten Verbindung zum Kaiser Wilhelm Museum im Laufe des gesamten Kreativprozesses eine tragende Rolle für Stadler: "Sowohl die Geschichte des historischen Museums wie die des Ortes Krefeld, an dem der Geist von Mies van der Rohe omnipräsent ist, waren wegweisende Elemente für das Projekt. Ich habe versucht, mit diesen Referenzen zu spielen – zum Beispiel durch den Einsatz von Trompe L’Oeil-Effekten." So sind die täuschend echt wirkenden Beton- und Marmorelemente in Wirklichkeit Digitaldrucke auf gepolsterten Strukturen, die die BetrachterInnen zusätzlich in die Irre führen, da sich die Oberflächen eben nicht hart und kalt, sondern weich und warm anfühlen. Der Paravent spiegelt aber auch beispielhaft die enge Zusammenarbeit mit den heimischen Betrieben wider: "Fünf verschiedene HandwerkerInnen und Unternehmen haben für diese Elemente Hand in Hand zusammengearbeitet: Kesper Druckwalzen hat die für die Marmor- und Betonmuster hochaufgelösten Fotos und deren Rapport erstellt, die tragende Struktur inklusive Akustik-Hartschaum wurde von m.u.p.-creative works angefertigt, der Stoff von Verseidag bedruckt und die Polsterung von Brunner geliefert." Auch die mit dem gleichen Stoff bestückten Leuchten wurden von STG Licht in Zusammenarbeit mit Brunner produziert.

Für Stadler liegt die Besonderheit des Projekts letztlich auch in dem Briefing, das mehrere – und zum Teil sogar scheinbar inkompatible – Anforderungen stellte: "Eine große Herausforderung, die ich äußerst interessant fand, da sie für mich gewissermaßen ein Garant darstellte, dass das Café etwas Besonderes werden müsste." Zuvor galt es für den Designer, die Akustik in den Griff zu bekommen und die Aufgabe zu lösen, das Café jederzeit auch zu einem Konferenzraum sowie einer Bar umfunktionieren zu können. "Auch die sehr unterschiedliche Besucherfrequenz – von überbordend bei Veranstaltungen bis hin zu verhalten an gewissen anderen Tagen – war ein Thema für mich: schließlich sollte das Café in allen Situationen eine angenehme Atmosphäre bieten können." Dazu kam ein streng und imposant gestalteter Innenhof, der passend zum Konzept bespielt werden sollte.

Die Lösung: durch den Einsatz von Textilien sowie anderen schalldämpfenden Materialien konnte die Akustik stark verbessert werden. Die Paravents, die in diesem Sinne so spielerisch und leicht daherkommen, sind in Wirklichkeit hochtechnische Objekte, die es gleichzeitig ermöglichen, unterschiedliche Zonen und Rückzugsbereiche zu schaffen, ohne dabei den ästhetischen Raumeindruck durch Stellwände oder Ähnliches zu schmälern. "In der Mitte des Innenhofes haben wir eine multifunktionale Plattform konzipiert, die sowohl als Sitzgelegenheit, als auch als Bühne für Performances und andere Events dient", erklärt Stadler die Idee der Gestaltung des Außenbereichs.

Warum sich ein Besuch des K+ Café im KWM Krefeld auf jeden Fall lohnt? "Das Projekt war wahrlich keine leichte Geburt. Vielmehr stieß es zu Beginn oft auf Perplexität, sogar Abneigung. Dass letztlich aber alle Personen, die ursprünglich misstrauisch waren, das Café heute als gelungen empfinden, freut mich umso mehr", so Stadler. "Der für manche BesucherInnen ungewöhnlich anmutenden Kombination von Objekten und Farben bedarf es wohl des physischen Erlebens und nicht nur eines Spaziergangs im Metaverse“.