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REVIEW: LIGHT + BUILDING 2024
Fortschritt beleuchten

Sechs Jahre sind seit der letzten regulären Light + Building vergangen. Welche Themen waren auf der Weltleitmesse für Licht und Gebäudetechnik 2024 zu sehen? Unser Review.
von Anna Moldenhauer | 08.03.2024

Die Light + Building ist zurück – nach der Sonderausgabe Light + Building Autumn Edition im Oktober 2022, die einen ersten post-pandemischen Auftakt für die Branche bot. Die letzte "klassische" Ausgabe der Weltleitmesse für Licht und Gebäudetechnik fand im Jahr 2018 statt. In den Hallen mit den sogenannten dekorativen Leuchten fehlten im Vergleich nun Größen wie Flos, Vibia, Occhio, Marset, Lasvit, Ingo Maurer, Grau oder Fontana Arte. Dennoch gab es einiges zu entdecken, wie bei Artemide: Die Architektin und Forscherin Giulia Foscari hat mit "Criosfera" eine zylinderförmige Leuchte entworfen, deren innere Schichtung aus geblasenem, recyceltem Glas besteht. Inspiriert ist der Aufbau von den Eisbohrkernen, die in der Antarktis gewonnen werden, um die eingeschlossenen Luftbläschen früherer Jahrtausende zu analysieren – das Archiv unseres Klimas. Parallel hat sie mit der Publikation "Antarctic Resolution" eine umfassende Übersicht zur antarktischen Architektur geschaffen. "Lune d'acqua" von Benedetta Tagliabue und Ersilia Vaudo hingegen ist von Monden inspiriert, die Jupiter und Saturn umkreisen. Mit "Discovery Dialogue" und "Wish you were here" zeigen Carlotta de Bevilacqua und ihre Tochter Carolina Gismondi de Bevilacqua zudem im Projekt Discovery neue Ansätze, für die Ernesto Gismondi einst die Basis schuf.

Indirektes, atmosphärisches Licht, das aus skulpturalen Formen in den Raum tastet, war gefragt. Ebenso wie geriffelte Diffusoren mit Retrocharme, wie bei der Wand- und Deckenleuchte "Nebbia" von Parkassociati und Delta Light, die für innen und außen geeignet ist. Die "Stellar Dust Collection", ursprünglich von CMC Architects sowie den Designern Václav Mlynář und Jakub Pollág für die J&T Bank in Prag entworfen, hat Bomma nun in die Serienproduktion übernommen. Für die Einschnitte im Glas, über die das Licht in den Raum gestreut wird, kommen Schneidemaschinen zum Einsatz, die das Unternehmen selbst entwickelt hat. Sebastian Herkner kreierte mit dem australischen Hersteller Rakumba die "Petal"-Kollektion: dickwandiges Glas in Blütenblattform wird mit einer handillustrierten, natürlichen Textur versehen. Sowohl in der Form wie in der Lichtbrechung zeigt die Leuchte eine sanfte Ästhetik und wirkt als Solitär wie im Ensemble stimmig.

Artemide: "Criosfera" von Giulia Foscari Una/Unless
Delta Light: "Nebbia" von Parkassociati

Neben dem großzügigen Glasskulpturen in organischen Formen waren auch luftige Designs zu sehen: Martinelli Luce zeigte unter anderem die Pendelleuchte "Canopée" von Nicolas Verschaeve, dessen drei Zylinder und bewegliche Scheibe in Höhe und Winkel verstellt werden können. Der technische, reflektierende Stoff wurde von Serge Ferrari für die Nautik hergestellt und ist entsprechend robust. Maximal flexibel ist die Auflichtleuchte "Fra Tac" von Gianfranco Rollo, dessen Module aus lackiertem Aluminium mit magnetischen Verbindungen versehen sind und so in unterschiedlichen Kompositionen zusammengestellt werden können. Wer neben Glas und zarten Formen massives Material suchte, wurde nur vereinzelt fündig: Die Pendelleuchtenkollektion "Parga" von Cenlitros für a·emotional light besteht aus Granit, die Außenleuchte "Jan" von Antonio De Marco für Martinelli Luce aus Beton und wahlweise weißem Carrara-Marmor. Dank ihrer rechteckigen Form dient sie auch als Sitzgelegenheit. Das Licht strahlt dabei aus einer Öffnung in der mittigen Aussparung nach unten ab.

Bei den Schienensystemen war indes der Wettbewerb um die schmalste Version zu verfolgen: iGuzzini zeigte mit "Filorail" eine hauchdünne Version, die Öffnung misst nur 3,6 Millimeter, auch die integrierten Haken sind in Miniaturgröße gefertigt. Diese kann auf horizontalen wie vertikalen Flächen, gerade oder in Bögen verlaufen und beschert den Strahlern wie "Newfo" die Bühne – ein kompaktes Re-Design des Flutlichtstrahlers "UFO" von 1977. Prolicht präsentierte mit der "Just Black" Produktfamilie ebenfalls möglichst reduzierte Linien und Kurven, die den Raum grafisch durchziehen und je nach individuellem Bedarf mit Leuchten ausgestattet werden können. Auch die Integration in Akustik-Paneelen ist möglich. Parallel auf dem Stand von Prolicht zu entdecken war "Lullaby", eine Produktfamilie mit schallabsorbierenden Akustikeigenschaften von Marc Sadler, dessen Lichtstrahl von einem miniaturisierten linearen Rasterreflektor gesteuert wird. Neben den "Cloud" Kompositionen des Designers können aus den Einzelelementen in sechs Varianten eigene Ideen kreiert werden. Dezent ist zudem die Leuchtenfamilie "Glarona" von Jörg Boner für die Schweizer Marke Schätti, die nach der Präsentation der Prototypen im letzten Jahr nun ihren Weg in das feste Sortiment gefunden hat: Die Lichtquelle ist im runden Körper verborgen und bietet eine blendfreie, harmonische Abstrahlung. Erweitert wurde die Auswahl um eine neue Wandleuchte.

Martinelli Luce: "Fra Tac" von Gianfranco Rollo
Schätti: "Glarona" von Jörg Boner

Eden Design präsentierte mit "°plug" ein modulares Beleuchtungssystem aus Aluminiumrohren von Frits Jeuris, das zahlreiche Plug&Play-Möglichkeiten bietet und sowohl an der Wand wie an der Decke montiert werden kann. "°plug" wurde mit dem Designplus Award by Light + Building ausgezeichnet, den Stylepark gemeinsam mit der Messe Frankfurt verliehen hat. Komplexe Beleuchtungsstrukturen können zum Beispiel mit "Yonos" von Trilux geschaffen und flexibel verändert werden: Ein Aluminiumprofil mit integrierter Stromführung ist das Kernelement, das je nach Bedarf mit Leuchten- und Funktionsmodulen ausgestattet wird. Maximale Flexibilität am Boden bietet indes "D-Wave" von Linea Light Group, das erste flexible Zwei-Achsen-Beleuchtungssystem, das sich an jeden komplexen Umfang anpassen lässt. Das Verbundmaterial ist indes vollständig recycelbar.

Einige Hersteller gehen noch einen Schritt weiter: Zumtobel zeigte mit "Izura" eine Pendelleuchte mit modularem Aufbau, dessen plastikfreier Reflektor aus abbaubaren Biokompositen besteht – gefasst in ein Gehäuse aus Stahlblech, das nicht verschweißt wird und sich somit bei Bedarf austauschen lässt. Im Rahmen eines Co-Creation-Ansatzes kann die Leuchte mittels digitalem Profildruck individuell gestaltet werden. Ridi stellte eine kompostierbare Transportschutzkappe vor, IQ Lux kompostierbare Leuchtenschirme, die aus Polymilchsäure im 3D-Druck gefertigt werden. Werner Aisslinger hat für Baulmann Leuchten die Serie "Dune" aus Quarzsand im 3D-Druckverfahren entworfen: Die ineinander verschachtelten Kugeln sind ein Hybrid aus Spot und atmosphärischer Leuchte, inspiriert von Pierre Cardins berühmten "Palais Bulles", die in Zusammenarbeit mit dem Architekten Antti Lovag entstanden sind. SG Leuchten stellte mit "Junistar Bio" einen Einbaustrahler vor, der aus biozirkulärem Material produziert wird, gewonnen aus Abfällen und Reststoffen biologischen Ursprungs. Die Idee erhielt den Designplus Award.

Midgard hat die Gelenke, Arme und Schirme der Modular Leuchtenserie weiterentwickelt und mit "Modular Neo" zwei Typologien in Schwarz und Silber realisiert, die als Tisch-, Arbeitsplatz- oder Stehleuchte alle Anforderungen an lenkbares Licht erfüllen. Für den Leuchtenschirm kann zwischen Langkopf-Varianten und einer organisch geformten Variante gewählt werden. Parallel bieten der Brightness Sensor und Motion Detector die Möglichkeit zur automatisierten Lichtsteuerung. Für eine energieeffiziente Anwendung in der Industrie präsentierte Zumtobel "Tecton DC", eine Gleichstromleuchte, die im Vergleich zum Wechselstrommodell zwei bis vier Prozent an Energie einspart und in die lokale Gleichstrominfrastruktur integriert werden kann. Ganz nebenbei stellte Zumtobel zusammen mit Typico auf der Light + Building einen Guinness Weltrekord auf: Die 202,76 Quadratmeter große Lichtdecke "CIELUMA" über dem Messestand wurde als weltweit "größte durchgehende Lichtdecke" ausgezeichnet.

iGuzzini: Filorail

Reduktion und Retrocharme bei den Leuchten, Multifunktionalität und die neue Freude an der analogen Haptik bei den Schaltern: Diese dürfen wieder flächig sein und am besten für unterschiedliche Nutzungen gleichzeitig ausgelegt werden – wie für die Bedienung von Jalousien, der Temperaturregelung oder den Sound. Beispielsweise in Form des Gira Flächenschalters, der neben einem neuen Wippendesign mit kleinerem Spaltmaß und flacheren Schaltwinkel umfangreiche Funktionen bietet. Jung zeigte neben dem neuen Programm "A Viva" mit einem Rahmen aus satiniertem Glas unter anderem das mit Schaltern in Gesundheitseinrichtungen stimmige Akzente gesetzt werden können und bietet das Schalterprogramm "LS 990" Notrufsysteme in der kompletten Farbauswahl von Les Couleurs® Le Corbusier an. Dank der Kooperation mit FSB sind selbst die farblich passenden Türdrücker erhältlich. Eine Ode an Berlin und die Urban Art bietet die Schalterkollektion "Jung Unique by Graft", die die Stadtteile Kreuzberg, Wedding, Friedrichshain, Schöneberg, Mitte und Grunewald in abstrakte Designs übersetzt haben – vom Fingerabdruck bis zum Streetart-Tag. Auch mit Blick auf die Kreislauffähigkeit zeigt das Unternehmen neue Impulse: Über 50 Einzelprodukte sind C2C zertifiziert. Als erster Hersteller weltweit bietet Jung zudem C2C-zertifizierte KNX-Produkte an.

Studio Besau Marguerre haben eine neue, matte Farbauswahl für die Berker Serie "R.classic" von Hager entworfen und das Publikum der Light + Building miteinbezogen: Die MessebesucherInnen konnten am Stand abstimmen, welche der vier Varianten in die Manufaktur Edition übernommen werden soll. Über die Hager Manufaktur werden Schalter, Steckdosen, Leitungsführungen und Türkommunikationselemente in Material und Farbe individualisiert. Die Schalterserie "NS Touch" von Maksym Nikulin für die Smarttech Group besteht indes aus einer acht Millimeter-Platte in wahlweise Kunststein oder Metall; die individuelle Beschriftung der bis zu vier unterschiedlichen Fernsteuerungen erfolgt über Piktogramme. Die Idee wurde mit dem Designplus Award ausgezeichnet. Die digitalen Lösungen wurden parallel natürlich nicht vergessen – mit "Gira Eco" kann beispielsweise die Elektromobilität in das Smart Home eingebunden werden. Bis zu fünf Wallboxen unterschiedlicher Hersteller können in ein KNX System integriert und über die Gira Smart Home App oder den "Gira G1" gesteuert werden. Beim Thema Sound überraschte Basalte mit einer neuen High-End-Version seiner "Cielo"-Lautsprecherkollektion: "Rondo". Die runden Lautsprecher sind in drei Größen erhältlich und werden in einer individuellen Anzahl und Reihenfolge an die Wand montiert. Für die individuelle Gestaltung bietet Basalte eine große Bandbreite: Die Lautsprecher können mit einer Hintergrundbeleuchtung versehen werden, die Fassung ist in vielen Ausführungen erhältlich und für den Bezug bieten die Stoffe von Gabriel und Kvadrat facettenreiche Möglichkeiten.

Hager: Neue Farbauswahl für Berker Serie R.classic von Eva Marguerre und Marcel Besau
Jung: Jung Unique von Graft
Basalte: "Rondo"

Siemens präsentierte ein neues EcoTech-Produktlabel, das einen umfassenden Einblick in die Produktleistung hinsichtlich ausgewählter Umweltkriterien gewähren soll. Dieses ermöglicht einen direkten Vergleich der Nachhaltigkeitsleistung von Produkten mit dem aktuellen Marktstandard und Vorgängerprodukten. Darüber hinaus wurde unter anderem das Sentron ECPD (Electronic Circuit Protection Device – elektronisches Schutzschaltgerät) vorgestellt, welches Stromkreisfehler elektronisch abschaltet und bei Bedarf den mechanischen Trennkontakt nachgelagert auslöst. Damit werden neue Möglichkeiten für die Elektroplanung geschaffen sowie Platz- und Energieersparnisse gegenüber konventionellen Lösungen. "Zum ersten Mal in der Geschichte der Schutzschalttechnik besteht hier die Möglichkeit, mehrere Funktionalitäten in einem Produkt zu nutzen und diese nach der individuellen Anforderung der Applikation zu aktivieren oder bei Bedarf anzupassen. Das Ganze kombiniert mit einer Halbleiter-Schalttechnologie, die ein bis zu tausend Mal schnelleres, verschleißfreies Schalten ermöglicht", betonte Andreas Matthé, CEO der Geschäftseinheit Electrical Products bei Siemens Smart Infrastructure.

Sammode zeigte auf der Light + Building in Kooperation mit den Partnerunternehmen Hoffmeister und Sill seine Industriekompetenz. Mit dabei waren die zwei neuen Röhrenleuchten "Leslie X-Heat" und "Joule HT X-Heat", die entsprechend den Anforderungen der verarbeitenden Industrie Chemikalien und extreme Temperaturen bis zu 110 Grad Celsius standhalten. Dazu sind sie aus der Ferne steuerbar, einfach zu montieren, zu reparieren und zu reinigen. Wissen bündelte auch die XAL Group mit den Marken XAL, Wever & Ducré, wästberg, IQ LUX und setzte den Fokus auf den Entwurfsstatus: Die BesucherInnen konnten die diversen Anwendungsmöglichkeiten der Produkte für Projekte erkunden, teils via Virtual Reality Brillen. Der Stand an sich war dabei nachhaltig gedacht: Teile von früheren Messeauftritten wie die Küche und Möbel wurden auf der Light + Building erneut genutzt, auf stark verarbeitete Materialien und veredelte Oberflächen aufgrund der ressourcenintensiven Herstellung verzichtet. Stattdessen kamen unverarbeitete, rohe Materialien wie Trockenbauplatten und Recycling-Karton zum Einsatz. Brossier Saderne nutzte kurzerhand die Transportboxen aus unbehandeltem Holz zur Präsentation. Sattler, Schneider Electric, die Zumtobel Group, Inotec Sicherheitstechnik und Midgard durften sich über den Designplus Award in der Kategorie "Sustainable Exhibition Stand" freuen, die zum ersten Mal ausgerufen wurde.

Welche Faktoren für einen nachhaltigen Gebäudesektor essenziell sind, vertiefte Stylepark in einem Gespräch auf der Design Plaza mit dem Architekten und Hochschullehrer Prof. Amandus Samsøe Sattler, Partner beim ensømble Studio Architektur sowie Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen. Dazu zählten auch die Top-Themen der Light + Building: Sustainability, Connectivity und Work + Living. Die wohnlich gestaltete Fläche der Design Plaza bot darüber hinaus ausreichend Raum für die Trendpräsentation des Stilbüros bora.herke.palmisano.

Stylepark Talk: Amandus Samsøe Sattler (ensømble Studio Architektur), Anna Moldenhauer (Stylepark)
Designplus Preisverleihung: Franziska von Schumann, Robert Volhard (Stylepark), Iris Jeglitza-Moshage (Messe Frankfurt)

Ein vielfältiges Comeback der Light + Building also, das der Branche Chancen auf neue Synergien und Perspektiven bot. Der Richtungswechsel der Märkte für eine nachhaltige Produktion und Präsentation war bei genauerem Hinschauen sichtbar, auch dank des Designplus Awards. Es bleibt zu wünschen, dass zur nächsten Ausgabe auch die Unternehmen, die noch auf Konzepte der Vergangenheit setzen, den Wandel mittragen – für eine umwelt- und klimaschonende Energiezukunft.

Tipp:
Zum vierzigjährigen Bestehen präsentieren die beiden Designer, Gründer und Geschäftsführer Jean-Marc da Costa und Manfred Wolf im Museum Angewandte Kunst unter dem Titel "IN SERIEN – 40 Jahre serien.lighting. Licht. Form. Material" eine Retrospektive. Bis zum 24. März 2024 ist die Schau zu sehen.