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Mateo Kries

Drei Fragen an Mateo Kries

Zum 40. Gründungsjahr der legendären Memphis-Gruppe zeigt die Vitra Design Museum Gallery die Ausstellung "Memphis. 40 Jahre Kitsch und Eleganz". Ob Design heute noch provozieren kann und welche Botschaft den außergewöhnlichen Objekten innewohnt, sagt uns Mateo Kries, Direktor des Vitra Design Museums.
01.02.2021

Anna Moldenhauer: Herr Kries, die Ausstellung "Memphis. 40 Jahre Kitsch und Eleganz" startet in Kürze – die Besucher können allerdings aufgrund der anhaltenden Pandemie auf noch unbestimmte Zeit nicht zum Vitra Design Museum kommen. Warum lohnt es sich für Sie dennoch die Schau zu zeigen?

Mateo Kries: Die Laufzeit der Ausstellung ist ja bis Januar 2022 – insofern hoffen wir, dass nach der Wiedereröffnung der Museen unser Publikum noch lange genug Gelegenheit haben wird, die Ausstellung zu sehen. Bis dahin werden wir über unsere digitalen Kanäle bereits Einblicke in die Ausstellung geben. Aber keine digitale Vermittlung kann den echten Besuch einer guten Ausstellung ersetzen – gerade die Aura von Objekten wie bei Memphis muss man spüren und vor Ort erleben, insofern freuen wir uns auf viele Besucher, sobald es wieder möglich ist!

Die Entwürfe der Memphis-Gruppe waren revolutionär und ein kreativer Gegenentwurf zum Funktionalismus – von welchen etablierten Normen sollten sich Designer heute Ihrer Meinung nach befreien?

Mateo Kries: Müssen wir zum Beispiel bei Mode immer den neuesten Kollektionen folgen, oder können wir Dinge nicht länger benutzen, als es uns die immer schnelleren Modezyklen suggerieren? Aber es gilt auch umgekehrt: in den letzten Jahrzehnten wurden so viele Normen über Bord geworfen, dass es heute fast noch revolutionärer wäre, bestimmten Normen wieder zu folgen. Wie hinsichtlich Langlebigkeit oder Nachhaltigkeit. Vor 40 Jahren konnte man mit einem verrückten Designentwurf noch wirklich provozieren; heute dagegen hat sich die Geste der Provokation fast verbraucht und ist zum Marketing geworden – es geht nicht mehr unbedingt um den Bruch von Normen, sondern um Verantwortung. Aber auch für so eine Haltung hat Memphis erst die Augen geöffnet, indem die Gruppe gezeigt hat, dass Designobjekte immer eine Botschaft senden. Das ist eine Erkenntnis, die heute noch genauso relevant ist wie damals.

Aktuell zeigen viele Entwürfe die Option, mit einem modularen Aufbau und einer großen Auswahl an individuellen Ausführungen das Design flexibel in unterschiedliche Raumnutzungen zu integrieren. Auch die Nachhaltigkeit der verwendeten Materialien wird verstärkt hinterfragt. Haben Sie den Eindruck, dass gesellschaftliche Qualität und Verantwortung im Design wieder an Wert gewinnt?

Mateo Kries: Heute spielen "vernünftige" Aspekte wie Modularität, Verantwortung und Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle und das ist auch richtig so. Auf den ersten Blick haben sich die Memphis-Designer auch dagegen aufgelehnt, indem sie bewusst sperrige, hedonistische und "laute" Entwürfe schufen, in denen es mehr um Spaß als um Vernunft ging. Aber dadurch haben sie unsere Aufmerksamkeit auf die Wirkung von Design gelenkt und uns gezeigt, welchen Wert unsere gestaltete Umgebung hat. Daraus können wir heute lernen. Denn selbst wenn viele Memphis-Objekte wie verrückte Skulpturen wirken – sie haben einen Charakter, und so ein Objekt mag man oft länger um sich haben, weil man eine persönliche Beziehung dazu aufbaut, als anonyme, langweilige Gegenstände. Es geht darum, dass wir unsere gestaltete Umwelt wertschätzen lernen und sie bewusst wahrnehmen – das haben uns die Memphis-Objekte auf die lauteste und direkteste Weise vermittelt.

"Memphis. 40 Jahre Kitsch und Eleganz"
6.2.2021 bis 23.1.2022

Vitra Design Museum
Vitra Design Museum Gallery
Charles-Eames-Str. 2
79576 Weil am Rhein

Das Memphis-Team auf dem Bett "Masanori" von Umeda Tawaraya, 1981