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Die pavillonartige Gebäudekomplex, den NL Architects im belgischen Knokke errichtet haben, beherbergt einen Kindergarten und eine Grundschule.

Das Ende des Schulflures

NL Architects haben im belgischen Knokke ein Kindergarten- und Grundschulzentrum errichtet, das die Schulordnung ganz schön auf den Kopf stellt.
von Fabian Peters | 14.10.2017

"De Vonk", zu deutsch "der Funke", heißt der neue Spiel- und Bildungscampus im belgischen Knokke. In dem niedrigen Gebäudekomplex am Rande des mondänen Seebades, dort, wo die Felder beginnen, sind ein Kindergarten und eine Grundschule untergebracht. Gebaut haben das Ensemble NL Architects aus Amsterdam, die Gewinner des diesjährigen Mies van der Rohe Awards. 

Bewegte Dachlandschaft: Der begrünte Dachaufsatz links gehört zur Grundschule, die rechteckige Türmchen sind Oberlichter, der überhohe Gebäudeteil im Zentrum ist die Multifunktionshalle.

Die Außenansicht bietet zunächst Vertrautes: Pavillonarchitektur, eingeschossig, eloxierte Metallfassade, große bodentiefe Fenstertüren, ganz umzogen von einem Laubengang aus Betonelementen. In der Mitte ein erhöhter kubischer Baukörper, um den herum die übrigen Gebäudeteile angeordnet sind. Den größten dieser Flügelbauten bekrönt ein begrüntes Dach in der Form eines umgedrehten Trichters. 

Achtung, Stufe: Die Klassenräume liegen tiefer als der angrenzende Laubengang. Die hölzernen Fensterbänke dienen gleichzeitig zum Sitzen.

Der Komplex umgeben allseitig Spiel-, Grün- und Gartenflächen, mit denen er durch die großen Fenstertüren und den Laubengang eng verzahnt ist. Tritt man durch eine dieser Durchgänge ins Innere, so bemerkt man, dass das gesamte Gebäude leicht im Boden gegraben wurde: Das Fußbodenniveau liegt ein gutes Stück unterhalb des Geländeniveaus. Die Fensterbänke aus Holz sind hier im wahrsten Sinne als Bänke gestaltet. Geht man weiter, fällt das nächste wichtige Gestaltungsmerkmal auf: Die Architekten verzichten bei ihrem Bau fast vollständig auf Flure und Korridore. Das gelingt ihnen, weil sie praktisch jeden Erschließungsraum so aufweiten und gestalten, dass er als Kommunikationsfläche, als Lern- und Spielbereich genutzt werden kann.

Blick vom Umgang in die zentrale Multifunktionshalle.

Dazu organisieren sie die vier Hauptfunktionen des Baus – Grundschule, Kindergarten, Verwaltung und Schulmensa – um eine zentrale Multifunktionshalle herum an, die unter anderem als Pausenraum, Sporthalle und Aula dient. Er ist höher als die übrigen Bauteile. Ein Fensterband unter der Decke führt ihm Tageslicht zu. Zwischen der Halle selbst und den Gebäudeflügeln lassen die Architekten eine große Spielfläche entstehen, wobei sie die holzverkleideten Außenwände der Halle als "programmed wall" gestalten. Hier finden unterschiedlich geformte Sitznischen, Bücher- und Zeitschriftenregale ihren Platz.

Unter dem begrünten Dachaufsatz besitzt die Grundschule eine große Fläche, die zum Spielen und Lernen genutzt werden kann.

Die Raumorganisation in den Gebäudeflügeln ist aus ihrer jeweiligen Funktion entwickelt: So sind die Klassenzimmer der Grundschule um einen zentralen Platz herum angeordnet, der zum Spielen und Lernen gleichermaßen dient. Zentrales Element ist hier ein großes Podest unterhalb der bereits erwähnten trichterförmigen Dachausstülpung. In seinem Sockel befinden sich Sanitär- und Abstellräume, auf ihm finden Gruppen- und Einzelarbeitsplätze unter einem großen Oberlicht ihren Platz. Hohe Stufen schaffen zudem ein kleines Auditorium. Wie die Multifunktionshalle kann auch das Podest vollständig umrundet werden – so entstehen keine "toten Winkel" und Sackgassen. 

Die "Spielstraße", die das Zentrum des Kindergartens bildet.

Im Kindergarten-Flügel gehen die Gruppenräume dagegen von eine langgezogenen "Spielstraße" mit mehreren kleineren Oberlichtern aus. Doppelflügelige verglaste Türen sorgen für Durchlässigkeit zwischen beiden Bereichen. Die "Straße" mündet in den Ausgang zum Spielplatz des Kindergartens. Ein großes Vordach vermittelt hier zwischen drinnen und draußen und schafft eine vor Witterung geschützte Aufenthaltsfläche.

Blick in die Grundschule: links die Klassenräume, rechts das zentrale Podest.
Große Stufen führen zum Podest hinauf. Sie dienen auch als ein kleines Auditorium.
Umgang um die zentrale Multifunktionshalle. Die Wand haben die Architekten als "programmed wall" gestaltet, die unter anderem verschiedenen Sitznischen ausbildet.
Durchblick vom Umgang in die Multifunktionshalle.
Die Halle wird für Sport genutzt, aber auch als Aula und Pausenraum.
Der Spielplatz des Kindergartens
Modell des Gebäudes. Um die zentrale Multifunktionshalle sind die Grundschule, die Schulmensa, die Verwaltung und der Kindergarten angeordnet (v.l.n.r.).