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NACHHALTIGKEIT
Farbe mit Funktion

Office S&M haben für ein Londoner Stadthaus Milchflaschen, Schneidebretter, Marmor und Ziegel als Baumaterial recycelt und lassen mit viel Farbe eine neue Dynamik in die Räume einziehen.
von Nina C. Müller | 04.03.2021

Man könnte sagen, die GründerInnen von Office S&M haben ein Faible für Farbe. Doch das wäre untertrieben. Catrina Stewart und Hugh McEwen nutzen Farbtöne zwar sensibel und austariert, aber durchaus als klare, kühne Statements. Mal verwandeln sie Fensterrahmen, Heizungsrohre oder Fliesenfugen in brillante Details. Mal hüllen sie ganze Häuser in monochrome Fronten. Bei diesem Umbau im Erdgeschoss eines viktorianischen Stadthauses im Londoner Bezirk Islington wurde den Farben eine ganz besondere Aufgabe zuteil.

Spielerische Standards

Auf der unteren Etage sah man zwei Badezimmer, einen Hauswirtschaftsraum sowie einen Küchen- und Essbereich vor. Für einen möglichst offenen Grundriss entfernten die ArchitektInnen unnötige Wände und gliederten die Fläche durch eine zentral angeordnete Zeile aus Herd und Arbeitsflächen. So entsteht eine optische wie funktionale Unterteilung aus Koch-, Arbeits- und Essbereichen. Doch galten für diesen Gemeinschaftsraum weit mehr als nur funktionale Standards. Immerhin sollten die bisweilen dunklen und beengten Räume familientauglich und freundlich werden.

"Office S&M wurde eingeladen, einen Raum voller Überraschungen und Freuden für jedes der vier Familienmitglieder zu schaffen", so das Planungsduo. Hier dienen Sockel zum Klettern, winzige Räume zum Hineinkriechen und weiche Oberflächen zum Kuscheln. Ein Mix aus Blau, Gelb, Grün, Rosé, Rot und Petrol soll beruhigend und frisch wirken sowie für Tiefe und Dynamik im Innenraum sorgen. Was im Ergebnis spielerisch leicht anmutet, baut jedoch auf durchdachte Farb-, Form- und Materialkonzepte.

Milchflaschen, Memphis, Mehrfachnutzung

Bauherrin Tamsin Chislett ist Mitbegründerin einer Onlineplattform, die sich zum Ziel gesetzt hat mit dem Verleih von Kleidung die Reduktion von Abfall zu unterstützen sowie DesignerInnen zu fördern. Prinzipien, die sich nun auch in ihrer Wohnung wiederfinden. "Wir wählten Materialien aus, die eine frühere Existenz und eine Geschichte haben", sagen die PlanerInnen. So entstanden in den Bädern Flächen aus ehemaligen Milchflaschen und Schneidebrettern. Der Terrazzo in der Küche setzt sich aus Marmorsplittern und Reststücken zusammen und sogar die Hängeleuchten stammen aus recyceltem Ziegelmaterial. Mehrfachnutzung spielte auch bei den Möbeln eine Rolle. Von Stewart und McEwen selbst entworfen, besitzen sie oft gleich mehrere Funktionen. So vereint eine überdachte Sitznische eine gepolsterte Bank und verschiedene Stauraumlösungen. Sie dient als Essplatz und als entspannter Rückzugsort. Auch der bunt gestrichene Treppenaufgang beherbergt Schränke, während im Raum verteilte farbig getönte Spiegel das spärliche Licht im Erdgeschoss lenken und für spannende Blickbeziehungen sorgen.

Mit den farbenfrohen, bauklotzartigen Modulen, die an die Gruppe Memphis oder die Architekturen des Mexikaners Luis Barragán erinnern, verfolgten die ArchitektInnen das Ziel, sowohl unterschiedliche als auch miteinander verbundene Bereiche zu schaffen. Zudem sollen sie ein Gefühl der Umzäunung vermitteln und auf die umliegenden Gebäude der Stadt verweisen. So entsteht auf einer begrenzten Fläche von gerade einmal 55 Quadratmetern gleichzeitig ein städtischer Spielplatz und ein spielerischer Stadtraum.