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3daysofdesign 2023 – Review
Wunderland mit Tiefgang

"Where Would We Be Without You?" – Wo wären wir ohne euch?" war das Motto der diesjährigen 3daysofdesign, Dänemarks bedeutendstes Designfestival, das vom 7. bis zum 9. Juni 2023 in Kopenhagen stattfand. Um viele wunderbare Erinnerungen und Begegnungen ärmer, wäre meine Antwort auf diese Frage.
von Anna Moldenhauer | 14.06.2023

2013 gründete Signe Byrdal Terenziani die 3daysofdesign und startete mit vier dänischen Marken durch: Montana, Erik Jørgensen (heute im Besitz von Fredericia Furniture), Anker & Co und Kvadrat. Aus dem einstigen Insidertipp ist heute ein internationales Festival gewachsen: In diesem Jahr stellten 280 TeilnehmerInnen in 13 Festivalbezirken aus, von etablierten Marken bis zu JungdesignerInnen, die ihre Arbeiten teils zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentierten. "Die Plattform, die wir geschaffen haben, dient zur gegenseitigen Inspiration, als Präsentationsfläche und ist nicht gewinnorientiert. Wir sind eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig hilft", so Signe Byrdal Terenziani im Interview mit Stylepark. Ihre schier unerschöpfliche Energie und Herzlichkeit trägt dabei nicht nur das jeweilige Team der Ausgabe, sondern auch die internationalen BesucherInnen, die verlässlich jedes Jahr wieder nach Kopenhagen reisen. Denn auch wenn so manches Objekt schon ein paar Wochen zuvor in Mailand begutachtet werden konnte, sind die 3daysofdesign nicht ohne Grund ein Fixtermin im Branchenkalender. Das Festival war und ist ein "safe space", ein sicherer Hafen für Kreative, der ideale Bedingungen zum Netzwerken, zur Präsentation und für den Austausch bietet. Ein Event, das die Türen zu Showrooms und Werkstätten öffnet, die stets mit perfekter Organisation und liebevoll hergerichteten Installationen seine Gäste empfangen und ihnen ein so warmes Willkommen schenkt, das selbst eine rastlose Abfolge von Terminen vergnüglich wird. Die Wege zwischen den Ausstellungen mit dem Fahrrad oder dem Boot in einer Metropole zurückzulegen, die als eine der lebenswertesten Städte der Welt gilt und von der UNESCO zur Welthauptstadt der Architektur 2023 gekürt wurde, ist ebenso stets ein Erlebnis.

Zu dem Designerwunderland, das die 3daysofdesign Jahr für Jahr bieten, gehören zudem zahlreiche Events abseits der Produktpräsentation: von fantastischen Dinners über den Besuch im Louisiana Museum of Art bis zu einer exklusiven Achterbahnfahrt im Vergnügungspark Tivoli. Die Dynamik der Stadt, die von RadfahrerInnen statt von Autos bestimmt wird, die ästhetische Lebensweise und designorientierte Kultur der Dänen, die vielen kleinen und großen Aufmerksamkeiten der GastgeberInnen, die entspannte Atmosphäre und das wertschätzende Miteinander gehören zum Erfolgskonzept der 3daysofdesign. Der zweite große Bestandteil ist die thematische Vielfalt, die das Festival quer durch die Disziplinen Design, Architektur und Kunst bietet, inklusive der Selbstverständlichkeit in diese zukunftsweisende Ideen für eine nachhaltige Gestaltung und Produktionskette einzuflechten. "Wenn du träumen willst, musst du aufwachen", so Signe Byrdal Terenziani, ein Satz, der sie seit langer Zeit begleitet. Dank ihrem leidenschaftlichen Engagement für die Kreativität ist die Designszene in Kopenhagen hellwach und realisiert ihre Träume, an denen wir während der 3daysofdesign gemeinsam teilhaben dürfen.

Zehn Highlights der 3daysofdesign 2023

Josefine Krabbe, Kasper Kyster, Kamma Rosa Schytte und Lærke Ryom

Ukurant

Josefine Krabbe, Kasper Kyster, Kamma Rosa Schytte und Lærke Ryom gründeten 2019 die Ausstellungsplattform und Kreativ-Community Ukurant um die Position junger Designtalente zu stärken. Mit einem Fokus auf unkonventionelle Möbel und Einrichtungsgegenstände zeigt diese neue Möglichkeiten der Gestaltung auf und verknüpft die etablierte Szene mit der aufstrebenden. Eine Holzwerkstatt in einem historischen Gebäude auf dem Gelände von Refshaleøen, in dem einst Schiffe restauriert und gebaut wurden, diente hierfür als Bühne. In diesem Jahr waren 18 Arbeiten zu sehen, von Materialexperimenten wie in Form von Polymer auf Eigelbbasis, das Adam Bialek als Basis für seine Leuchte "Our Beloved and Sacred Sun" nutzt, bis zu den zusammengesteckten "Offcut Tables" von Laerke Ryom, für das dieser gemasertes Hirnholz verwendet, welches in der Produktion bei Dinesen als Beiprodukt anfällt. Eindrucksvoll war zudem der "computational log chair" von Matthias Gschwendtner, der mit einer Kombination aus 3D-Scan, Computerdesign und Roboterfertigung hergestellt wird, aber sowohl haptisch wie optisch wie ein Möbel wirkt, dessen Bestandteile handgeschnitzt wurden.

Refshaleøen Hub – Materials of Tomorrow

In Zusammenarbeit mit Space10, Material Matters and Office Kim Lenschow boten die 3daysofdesign in der einzigartigen Kulisse des ehemaligen Industrieviertels ein kreatives Zentrum. Der Hub bot sowohl eine Ausstellung zur Zukunft der Materialien in Kooperation mit Bonnie Hvillum von Natural Material Studio wie ein Symposium mit Beiträgen von unter anderem Caroline Till, Mitbegründerin der Zukunftsforschungsagentur FranklinTill, der Designerin Ineke Hans oder Jeroen Muijsers, CEO und Mitbegründer des Unternehmens Flocus, das nachhaltige Textillösungen fördert: "3daysofdesign ist eine Plattform für Menschen, die sich treffen, vernetzen und inspirieren lassen wollen. Dieses Jahr, anlässlich der 10. Ausgabe der 3daysofdesign, freuen wir uns ein spezielles Symposium, das sich mit den Innovationen im Materialien und die Pioniere, die sich für Lösungen einsetzen, die sowohl für die Menschen als auch für den Planeten besser sind. Es markiert ein neues Kapitel des Festivals, in dem wir nicht nur Design feiern, sondern uns auch selbst herausfordern, darüber nachzudenken, wie Design wirklich dazu beitragen kann um nachhaltiger zu leben.", so Signe Byrdal Terenziani, CEO von 3daysofdesign. Eine Interaktion im öffentlichen Raum und die Möglichkeit zur gemeinsamen Diskussion war zudem an einem 30 Meter langen Tisch möglich, der in Zusammenarbeit mit Spacon & X, Petersen Tegl, Barlby Carlsson und +Halle entstanden ist.

Louis Poulsen

Das Glaskunststudio Home in Heven bietet in Zusammenarbeit mit Elliot Walker von Blowfish Glass neue Lesarten der Pale Rose Collection von Poul Henningsen und Vilhelm Lauritzen: Farbiges Glas und markante Details wie Hörner, Wirbel und Tentakeln lassen die Leuchtenklassiker sprichwörtlich in einem neuen Licht erscheinen. "Für uns ist es eine Ehre, mit Louis Poulsen und den legendären Designs von Poul Henningsen und Vilhelm Lauritzen zu arbeiten. Henningsens Designansatz ist für uns eine große Inspirationsquelle, ebenso wie seine Energie, Altes zu nehmen und sich anzueignen. Genau wie er haben wir keine Designschule besucht, sondern auf der Grundlage unserer Erfahrungen aus Mode, Kunst und Film zu arbeiten begonnen, wodurch eine sehr praxisorientierte Herangehensweise an unser Design entstanden ist", so Breanna Box und Peter Dupont von Home in Heven. Die Unikate werden in Kürze versteigert, wobei der Großteil des Erlöses für wohltätige Zwecke gespendet wird.

Designerin Lykke Bloch Kjaer von Kjellerup Vaeveri mit einem Textildesign für PP Møbler

PP Møbler Showroom

Die Möbelmanufaktur PP Møbler hat ihren ersten Flagshipstore eröffnet und sich dafür eines der schönsten Gebäude in Kopenhagen ausgesucht: das denkmalgeschützte Lagerkælder 3. Svenn Eske Kristensen entwarf 1969 für die Carlsberg Byen den Bau aus Backstein mit 64 Scheiben, die heute mit Blattgold beschichtet sind. Hinter diesen wurden einst die mit Bier gefüllten Tanks gelagert. In das Erdgeschoss ist nun PP Møbler eingezogen und zeigt sowohl Einblicke in das traditionsreiche Tischlerhandwerk wie aktuelle Ideen – beispielsweise die limitierte Jubiläumsedition von 70 Flag Halyard Chairs mit einem leuchtend gelben Sockel und Füßen aus Eschenholz. Darüber hinaus stellt das Familienunternehmen in diesen Tagen einen neuen Bezugstoff aus der Feder von der Textildesignerin Lykke Bloch Kjær vor, der die sanften Verläufe der Holzstrukturen mit kräftigen Farben wie Ultraviolett kontrastiert. Jedes Möbel wird seitens PP Møbler auf Bestellung gefertigt. "Wenn wir uns um unsere Materialien und um einander kümmern, können wir schöne Dinge schaffen", so Ejnar Pedersen, Mitbegründer von PP Møbler.

PP Møbler Flagship Store
Bryggernes Plads 11
Carlsberg Byen
1799 Copenhagen

"Boa" von Stefan Diez für Hay

Die traditionelle japanische Baukunst mit Bambus bot Stefan Diez eine Inspiration für den Entwurf eines Konferenztisches: "Boa" für Hay. Gefertigt mit einem Rohrrahmen aus recyceltem und stranggepresstem Aluminium ist der Tisch sehr leicht und kann so schnell im Raum versetzt werden. Je nach Bedarf lässt sich die Struktur mit Zubehör für die Stromversorgung und die Kabelaufbewahrung versehen. "Boa" ist zudem für eine Überraschung gut – wirkt der Tisch aus der Ferne durchaus klassisch, wird der industrielle Charme und die ausgeklügelten Details der Struktur beim Blick unter die rechteckige Tischplatte ersichtlich.

Georg Jensen x David Thulstrup

Der Architekt und Designer David Thulstrup hat für Georg Jensen das Designobjekt "Penumbra" aus Silber entworfen: Bestehend aus einem rechteckigen Äußeren und einer ovalen Mitte, die in einer hohlen Struktur versinkt, zeigt der Entwurf dank der perfekten Symmetrie der Formen einen besonders klaren Reiz. "Das Team von Georg Jensen und ich wollten etwas schaffen, bei dem mehr Wert auf Design und Ästhetik gelegt wurde, als auf die Funktion. Aufgrund des starken Kontrasts zwischen dem rechteckigen Umriss und der ovalen Mitte, die beide von ausgewählten Designs aus dem Archiv von Georg Jensen inspiriert sind, gelingt es Penumbra, sich als skulpturales und auffälliges Objekt abzuheben", so David Thulstrup. Bei seinem Besuch im Archiv ließ er sich unter anderem von der wiederkehrenden Verwendung einer signifikanten ovalen Form im Haus inspirieren, die bis in die 1910er Jahre zurückreicht. Ein Detail, das er mit den straffgezogenen, funktionalistischen Formen aus Sigvard Bernadottes bekannten Entwürfen für Georg Jensen kombiniert hat. Auf den 3daysofdesign wurde für die Präsentation eine ganz in Silber getauchte Installation geschaffen, die das Objekt nahezu sakral wirken ließ.

Stine Gam, Enrico Fratesi

Koyori

Die junge japanische Designmarke Koyori zeigte auf den 3daysofdesign eine Installation, dessen Aufbau und Atmosphäre an ein traditionelles japanisches Haus angelehnt war. Platziert in einen Zen-Garten wurden unter anderem zwei neue Holzmöbel aus der Kooperation mit dem DesignerInnenduo GamFratesi: Die ovalen wie rechteckigen Tische "Miau" und der Stuhl "Edaha". Ebenso präsentierte Ronan Bouroullec die neuen Tische "Nei" und Usurai". Nahtlose Übergänge, sanfte Rundungen und eine besonders präzise Verarbeitung prägt die Entwürfe. "Funktion, Haltbarkeit und Schönheit sind drei Schlagworte für die Koyori steht", so der Executive Director Koda Munetoshi. 2022 wurde Koyori von führenden japanischen Möbel-und Inneneinrichtungshersteller gegründet und unter anderem von dem Produkt- und Möbeldesigner Jasper Morrison geprägt, der als Art Directing Advisor fungierte.

Andersen Furniture / Mater

Die Fusion von Andersen Furniture und Randers+Radius zu einem gemeinsamen Auftritt unter dem Namen Andersen Furniture sorgte auf den 3daysofdesign für eine bessere Prägnanz in der Vermittlung des Angebots. Fokussiert ist auch das Bestreben von Andersen Furniture für nachhaltige Produkte: Für jede Filzschale der Stuhlkollektion "Tono" werden beispielsweise 250 Plastikflaschen recycelt, die Stuhlkollektion "Mood" ist mit dem EU-Umweltzeichen zertifiziert.

Komplett auf kreislauffähiges Design ausgerichtet ist zudem seit ihrer Gründung Mater, die in diesem Jahr im historischen Helligåndshuset (Haus des Heiligen Geistes) die Ausstellung "What a Waste!" präsentierten. Durch den Einsatz modernster Technologie und seines patentierten Kreislaufmaterials Matek® zeigte Mater, wie Abfall in Möbel umgewandelt werden kann – wie für die neue Lily Table Collection und Compound Chair Collection, die vom Kopenhagener OEO Studio entworfen wurde. Gemeinsam mit Tetra Pak und Arka arbeitet das Team zudem an neuen Initativen für die Kreislaufwirtschaft. Parallel erkundet Mater aktuell die Möglichkeiten Alttextilien, beispielsweise aus Hotels, für die Möbelproduktion zu recyceln.

Maria Bruun

Atelier Collection von Reform

Für die Atelier Collection lud Reform zu den 3daysofdesign vier kreative Köpfe ein, vier elementare Materialien – Glas, Keramik, Metall und Holz – zu interpretieren und daraus Möbelgriffe zu entwerfen. Nina Nørgaard (Glas), Yukari Hotta (Porzellan), Alberte Tranberg (Metall) und Maria Bruun (Holz) schufen so nicht nur Alltagsgegenstände mit einem individuellen Charakter, sondern erforschten in diesem Zuge auch die Spannung zwischen Handwerk und industrieller Fertigung. Alle neuen Griffe sind mit den Kollektionen "Plain" und "Shaker" von Reform kompatibel.

Karakter

Die dänische Designmarke Karakter stellte in diesem Jahr eine Reihe von Re-Editionen ihrer Klassiker seitens italienischer GestalterInnen vor, wie den "Scarpa Lounge Chair" von Afra und Tobia Scarpa aus dem Jahr 1966 oder die Leuchte "Plexi" von Angelo Mangiarotti, die im Jahr 1962 das erste Mal präsentiert wurde. Etabliertes Handwerk übersetzt die Weberin und Textilkünstlerin Karin Carlander zudem in neue Objekte, wie für den "Shuttle Rug", einen rechteckigen Teppich aus Papiergarn. Das Unternehmen zeigte so beispielhaft wie sich zum einen die Wertschätzung für die bestehende Gestaltung mit neuen Ideen verknüpfen lässt und zum anderen wie Elemente aus dem italienischen und skandinavischen Design zu einem spannenden Ergebnis kombiniert werden können.

Tipp: &tradition hat anlässlich des zehnjährigen Jubiläum der 3daysofdesign in ihrem Hauptsitz eine umfassende Installation kreiert, in der die vielfältigen Facetten der Marke ideal erlebt werden können. Jeder Raum ist so einer anderen Kooperation oder Thematik gewidmet und gewährt wertvolle Eindrücke aus dem kreativen Entwurfsprozess – von den neuen Kollektionen seitens Jaime Hayon bis zu den eindrucksvollen Kulissen für die Präsentation der ikonischen "Flowerpot lamp" von Verner Panton und der "JU1 lamp" von Jørn Utzon.

Absolut sehenswert war auch die Sonderausstellung 'Stilleben 2' von Michael Anastassiades für Anker & Co sowie die Präsentation "Three" des American Hardwood Export Council (AHEC), der die Designerinnen Pia Högman, Anne Brandhøj und Anna MariaØfstedal Eng bat, mit den in der Industrie wenig verwendeten Hölzern Roteiche, Ahorn und Kirsche zu gestalten. Laut AHEC erfordern die unterbrochenen globalen Lieferketten und die Klimakrise eine Überdenkung der bisherigen Holzbeschaffung und die Neuausrichtung auf umweltverträglichere Laubhölzer. "Three" zeigte so beispielhaft Möglichkeiten auf mit diesen zu gestalten.

Jaime Hayon in seiner Ausstellung im Showroom von &tradition
"Stilleben 2" von Michael Anastassiades für Anker & Co.
"Three"/ AHEC: Anne Brandhøj
"Three"/ AHEC: Pia Högman
"Three"/ AHEC: Anna Maria Øfstedal Eng
Signe Byrdal Terenziani