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Kristina Dam

Balance im Weniger

Die dänische Gestalterin Kristina Dam bewegt sich als kreatives Allroundtalent spielend zwischen Skulptur, Grafik-, Produkt- und Interiordesign. Die Ästhetik der Funktion steht für sie im Zentrum. Ihr Konzept erklärt sie uns im Interview.
07.07.2022

Anna Moldenhauer: Kristina, was macht für dich "nordischen Minimalismus" aus?

Kristina Dam: Gute Frage. Für mich hat es etwas mit Funktionalität zu tun, denn wenn man sich für ein minimalistisches Design entscheidet, fügt man keine dekorativen Elemente hinzu, es geht um die Essenz. Dennoch nutzen wir die Details der Funktion, um das Design zu unterstreichen, da inspiriert mich auch sehr die Lehre des Bauhauses. Man kann diesen Ansatz auch im japanischen Design sehen, das sehr ästhetisch ist, aber sich immer auf das beschränkt, was die Konstruktion wirklich braucht. Das ist der Unterschied zu reiner Dekoration und das macht den nordischen Minimalismus aus. Es geht darum ein Gleichgewicht zwischen Minimalismus und Funktionalität finden.

Also den Kern dessen finden, was das Design für die Funktion braucht und ihn ohne Ornamente an die Oberfläche bringen.

Kristina Dam: Ganz genau. Ich war schon immer sehr fasziniert von gegensätzlichen Materialien wie massiver Eiche und Edelstahl sowie ihrer Kombination in einer minimalen Formensprache. Ich wähle keine Farben, sondern beschränke mich auf die reine Funktionalität und lasse die Materialien selbst sprechen. Ich strebe dabei einen eher skulpturalen Ansatz an und die Kurven der Form sind etwas, um das ich die ganze Zeit kreise.

Deine Objekte haben eine Zen-Ästhetik, wie erreichst du diese?

Kristina Dam: Mein Auge braucht ein Gleichgewicht und die Objekte vermitteln diese optische Ausgeglichenheit. Wann sie erreicht ist, kann man nicht bemessen, es ist ein Gefühl, wie ein Gleichgewicht. Unser neuer "Collector Dining Chair" ist ein gutes Beispiel dafür, denn er steht im Grunde für sich, wie ein Kunstobjekt. Da spiegelt sich auch meine Herangehensweise an Design, denn ich betrachte meine Entwürfe nicht als Stühle oder Tische, sondern als Kunstobjekte. Dazu kommt meine Ausbildung als Grafikdesignerin, durch die ich immer danach strebe, dass die Formensprache für das Auge angenehm ist. Wenn wir das Gefühl bekommen, dass der neue Entwurf so wirkt, als sei er schon immer dagewesen ist er perfekt. Mein Ziel ist es, dass meine Designs, auch wenn es nur ein paar sind, einen Wert für Ihre Umgebung darstellen.

Skulptur und Beistelltisch: "The Frame" von Kristina Dam

Du hast bereits erwähnt, dass du eine Ausbildung zur Grafikdesignerin hast. Hinzu kommt deine architektonische Ausbildung. Würdest du sagen, dass diese Ausbildungen dir einen interdisziplinären Blick verliehen haben?

Kristina Dam: Ja, auf jeden Fall. Die ersten Jahre in der Architekturschule waren eher eine Grundausbildung über den Raum. Dabei war der räumliche Maßstab stets ein sehr wichtiger Faktor, um den eigenen Maßstab zu verstehen, und wie man als GestalterIn mit Räumen interagiert. Zu Beginn wollte ich Grafikdesignerin werden, aber als wir im Rahmen der Ausbildung ein Möbel anfertigen sollten, war mein Interesse geweckt. Heute ist meine Arbeit sehr vielfältig, ich erstelle Grafiken, Stylings, Interior und gestalte Produkte. Vor ein paar Jahren kam ich als Brand & Design Director zu Broste Copenhagen. Das Unternehmen erwarb 60 Prozent des Kristina Dam Studios und bot mir an, das Design beider Marken zu leiten. Das Interessanteste für mich war die Umstellung des Designprozesses bei Broste Copenhagen – heute entwerfen wir alle Produkte selbst. Für mich bedeutet Kreativität alle Stränge zusammenzubringen, ich sehe da keine Grenzen. Wenn man in der Lage ist die Disziplinen zu kombinieren, ist es oft einfacher gute Designs zu entwerfen.

Ich habe gelesen, dass du schon als Kind von Design fasziniert warst. Kannst du dich an einen bestimmten Moment erinnern, der dieses Interesse ausgelöst hat? Oder hat es sich eher im Prozess entwickelt?

Kristina Dam: Ich glaube, es war eher ein Prozess. Gemeinsam mit meiner Mutter habe ich als Kind viele kleine kreative Projekte realisiert. Dazu habe ich mit etwa zehn Jahren mein ganzes Zimmer ausgeräumt und es neu arrangiert.

Das Interesse an Interior Design lag also schon in deiner DNA.

Kristina Dam: Ja, und es ist verrückt, dass meine Eltern das so hingenommen haben, denn ich hatte auch die Jahre darauf viel Freude daran regelmäßig alle Möbel in meinem Zimmer umzustellen.

Wahrscheinlich dachten deine Eltern beim ersten Mal, das es nur eine Phase ist und waren dann überrascht, dass es im Grunde deine Profession war.

Kristina Dam: (lacht) Genau.

Ich habe gesehen, dass du in diesem Jahr dein zehnjähriges Jubiläum feierst, herzlichen Glückwunsch dazu. Planst du ein besonderes Projekt, um das zu feiern?

Kristina Dam: Anlässlich des Jubiläums ist es für mich auch ein wenig an der Zeit zu reflektieren, wo ich gestartet bin und wie sich meine kreative Sprache seitdem entwickelt hat. Die Skulptur "The Frame" ist so in dem bisher größten Maßstab zu sehen und fungiert auch als Beistelltisch. Zudem habe ich weitere Kunstwerke im 1:1 Maßstab erstellt, die während der 3daysofdesign in Kopenhagen ausgestellt wurden. Die Skulptur aus schwarz pulverbeschichtetem Stahl steht ein wenig sinnbildlich für den Blick zurück, denn sie referiert auf das, womit ich angefangen habe: mit Schwarz-Weiß-Illustrationen und Skulpturen in limitierter Auflage zu einem Preis, der Kunst für alle erschwinglich macht. Mein Hauptziel war es, Kunst zugänglich zu machen und mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Innenräume mit Kunst und Objekten auszustatten und so eine persönliche Atmosphäre zu schaffen. Das ist auch der Grund, warum mein Name auch der Name meines Unternehmens ist, denn normalerweise signiert man seine Kunstwerke als KünstlerIn. Ich hätte nie gedacht, dass daraus einmal der heutige Erfolg entstehen würde, denn das Design von Möbeln war zu Beginn ein Nebenprojekt.

Gibt es denn eine Richtung, die sich aus der Reflektion herauskristallisiert hat, die du verstärkt verfolgen möchtest?

Kristina Dam: Es von ein paar Illustrationen zu einer anerkannten Möbelmarke zu schaffen ist etwas, worauf ich sehr stolz bin. Diesen Weg möchte ich weiterverfolgen, aber parallel dazu auch eine Kollektion an kleineren Objekte gestalten, die das gesamte Werk miteinander verbinden. Dabei lassen wir uns gerne den Raum den es dafür braucht, bis die Designs für uns perfekt sind. Das Studio soll langsam wachsen, denn die Essenz steht bei jedem Entwurf im Mittelpunkt. Weniger und dafür qualitativ hochwertig ist in diesem Fall das Mehr.

10 Years of Sculptural Minimalism