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Grünes Band

Beim 4-fach-Kindergarten Rain im schweizerischen Ittigen arbeiteten Büro B Architekten mit unterschiedlichen Raumschichten. Das Ergebnis: eine vielfältige Spiellandschaft, die Inneres und Äußeres gekonnt in Beziehung setzt.
von Alexander Russ | 12.11.2021

"Zersiedelung" ist eines der ersten Worte, die einem zur Schweizer Landschaft einfallen. Der Agglomerationsraum um Bern folgt deshalb dem Gedanken einer nachhaltigen Raumentwicklung, die den Übergang zwischen Stadt- und Naturraum moderieren soll. Ein Beispiel ist das Projekt "Grünes Band", dessen Ziel es ist, Natur-, Kultur-, und Siedlungslandschaften harmonisch aufeinandertreffen zu lassen. Auch die nordöstlich von Bern gelegene Gemeinde Ittigen ist Teil dieses Konzepts. Sie sieht bei Neubauprojekten deshalb eine Siedlungsentwicklung nach innen in Form von Nachverdichtung vor – wie etwa beim neuen 4-fach-Kindergarten Rain mit vier Gruppen, für den Büro B Architekten aus Bern eine bestehende Schulanlage erweiterten.

Zurück geht der Kindergarten auf einen Wettbewerb, bei dem nicht nur die architektonische Qualität, sondern auch eine nachhaltige, ressourcen- und klimaschonende Bauweise entscheidend waren. Das Energiekonzept sieht deshalb unter anderem Photovoltaikpaneele auf dem Flachdach vor. Konstruktiv ist das neue Gebäude als längliche Holzbox in Holzständerbauweise geplant, die dank Vorfertigung in weniger als einem Jahr fertiggestellt werden konnte. Auf seiner Längsseite im Norden dockt es an einen Sportplatz an und öffnet sich im Süden zur Erschließungsachse des Schulgeländes. Vorgelagert befinden sich Bereiche zum Spielen im Freien, die durch Hecken abgezäunt sind. Wie der Kindergarten selbst liegen sie etwas erhöht zur Erschließungsachse, die über eine breite Außentreppe mit dem Gebäude verbunden ist. Sie bilden nicht nur eine Vorzone, sondern auch eine Verbindungselement zwischen dem Schulgelände und dem zentralen Innenhof des Kindergartens. Im Gegensatz zum rationalen Äußeren des Gebäudes ist dieser als organisches Volumen ausformuliert, das sich als durchscheinende Raumschicht mit den Außenanlagen verzahnt und dabei den Eingangsbereich zum Kindergarten definiert.

Räumlich setzt sich der Kindergarten aus zwei zweigeschossigen Pavillons zusammen. Sie beherbergen pro Geschoss eine Gruppeneinheit, die vom Innenhof aus erschlossen wird. Umlaufende Terrassen vermitteln zwischen drinnen und draußen und setzen das Spiel der Raumschichten fort. Hinzu kommen zwei Wendeltreppen und eine Rutsche, die den organischen Bewegungsfluss aufgreifen und vielfältige Spielzonen schaffen, indem sie die einzelnen Terrassen miteinander verbinden. Im Innern orientiert sich der Hauptraum jeder Gruppe nach Süden, während die dienenden Bereiche wie WCs und Technikräume im Norden angeordnet sind. Ziel der Architekten war es, flexible Grundrisse zu entwerfen, die verschiedene Nutzungen für den Kindergarten, aber auch für Schulklassen, Basisstufen oder Tagesschulen ermöglichen. Dafür öffnet sich das Gebäude auf allen Seiten zum umgebenden Landschaftsraum, der dank der hügeligen Topografie in die Innen- und Außenräume hineinzufließen scheint. Hinzu kommt eine angrenzenden Baumallee, die den Kindergarten im oberen Geschoss je nach Ausblick wie ein Baumhaus wirken lässt. Die Holzlamellen der Fassade wirken dabei wie ein Filter, der trotz der großzügigen Verglasung einen Sichtschutz bei gleichzeitigem Ausblick nach Draußen bietet. Zudem verbinden die Holzlamellen die einzelnen Gebäudeteile miteinander und zeichnen die organische Form des Innenhofs als räumliche Begrenzung auf den Terrassen nach.

Die reine Holzkonstruktion des Gebäudes bildet sich auch an seinen Oberflächen ab: Fenster, Fassadenelemente wie auch die Böden, Wände, Türen, Decken und sogar das umlaufende Geländer der Terrassen sind in Holz ausgeführt. Die Farbigkeit wurde dabei über druckimprägniertes und hell geöltes Holz im Außenraum und ein entsprechend pigmentiertes Öl im Innenraum aufeinander abgestimmt, um fließende Übergänge zu erzeugen. In den Decken sind Streifen mit punktförmigen LED-Leuchten eingelassen, die zusammen mit den Akustikpanelen im Innern für feine Details sorgen. Hinzu kommen zurückhaltende Einbaumöbel in kindergerechtem Maßstab wie Stauräume, Ablageflächen oder verschiedene Sitzbänke, die teilweise direkt an der Glasfassade angeordnet sind und so zum Teil der Architektur werden. Dabei wirken die umlaufende Verglasung und die reduzierte Formensprache von Fassade und Innenraum einem allzu rustikalen Holzcharakter des Kindergartens entgegen. Stattdessen inszenierten ihn die ArchitektInnen als lichtdurchflutete Holzbox, die wie eine Miniaturversion des "Grünen Bands" wirkt, bei dem unterschiedliche Raumschichten aufeinandertreffen und vielfältige Spiellandschaften entstehen.