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Ort des Austauschs

Die neue Aarhus School of Architecture versteht sich als offenes Labor, das nicht nur neue Synergien zwischen Studierenden und Lehrenden schaffen will, sondern auch den Austausch mit der Nachbarschaft sucht.
von Alexander Russ | 18.11.2021

Als "Fabrik für Architektur" bezeichnet das dänische Architekturbüro Adept seine Aarhus School of Architecture. Der Bau der neuen Schule geht zurück auf einen Wettbewerb aus dem Jahr 2016, an dem die drei dänischen Architekten Brian Vargo, Jonas Snedevind Nielsen und Mathias Palle teilnahmen und in diesem Zuge das Architekturbüro Vargo Nielsen Palle in Kopenhagen gründeten. In Kooperation mit den ebenfalls in Kopenhagen ansässigen Architekturbüros Adept und Rolvung & Brøndsted Arkitekter gewannen sie den Wettbewerb und warfen dabei große Namen wie BIG und Lacaton & Vassal aus dem Rennen. Der Siegerentwurf bestand dabei aus einer flexible Raumstruktur, die partizipativen Prinzipien folgt und den Austausch mit der Nachbarschaft sucht.

Mittlerweile ist das Gebäude fertiggestellt und bildet einen neuen Baustein auf dem sogenannten "Godsbanearealerne", einem ehemaligen Güterbahnhof auf dessen Gelände verschiedene kulturelle Nutzungen untergebracht sind. Dazu zählt auch das an die Schule angrenzende "Institute for X", ein unabhängiger, gemeinnütziger Kulturverein, der aus Bürgerinitiativen hervorgegangen ist und sich als offene Plattform für Kultur, Wirtschaft und Bildung versteht. Dem Gedanken des Austauschs folgt auch die neue Aarhus School of Architecture, die als eine Art Vermittler zwischen dem informell gewachsenen Umfeld und der weiteren Quartiersentwicklung fungiert. Entsprechend roh wirkt das 12.500 Quadratmeter große Gebäude: ein abgestuftes Volumen, das sich als neo-brutalistischer Bau aus einem sichtbaren Betontragwerk zusammensetzt, in das verschiedene Funktionen wie Bausteine implementiert sind. "Die neue Aarhus School of Architecture vereint zehn bisherige Standorte in einem Gebäude. Die Vision war eine robuste Struktur, ein lebendiges Labor der Architektur. So wurde das werkstattartige Design inspiriert, das sich wie eine Anti-Ikone präsentiert – eine leere Leinwand für Ideen, Kreativität und Lernen", sagt Martin Krogh, Partner bei Adept über das architektonische Konzept.

Nach Außen gibt sich die Aarhus School of Architecture transparent und offen: Das Betontragwerk definiert die gerasterte Fassade, die sich aus großen Glasflächen zusammensetzt. Auch im Innern prägt die sichtbare Konstruktion das Erscheinungsbild der Schule. Das Tragwerk wird hier mit räumlichen Bausteinen ausgefacht, die von Vargo Nielsen Palle als "Werkzeugkästen" bezeichnet werden, wo verschiedene Nutzungen wie Werkstätten, Vorlesungsräume aber auch WCs, Lagerräume oder Technikbereiche untergebracht sind. In einer Art Schachbrettmuster angelegt, bespielen sie das vorgegebene Raster und lockern die Struktur dabei räumlich auf. Hinzu kommen eingeschnittene Lufträume, die das Gebäude vertikal aufbrechen und die einzelnen Bereiche durch verschiedene Blickbeziehungen miteinander verbinden. Um die "Werkzeugkästen" und Lufträume fließt der freie Raum mit den einzelnen Arbeitsbereichen, die als flexibel bespielbare Flächen mit informeller Möblierung konzipiert sind. Hinzu kommen zwei große Dachterrassen im zweiten und dritten Geschoss und eine kleine im ersten Geschoss, die sich aus der abgestuften Kubatur des Gebäudes ergeben.

Ein besonderes Element stellt die im Nordwesten angeordnete und von Praksis Arkitekter entworfene Bibliothek der Schule dar, die als Tragwerk im Tragwerk in ein drei Geschosse umspannendes Raumvolumen gestellt wurde. Als rohe Holzkonstruktion in Zangenbauweise ausgeführt, vermittelt sie aufgrund ihrer Holzoberflächen eine subtile Behaglichkeit inmitten der ansonsten vorherrschenden Brutalismus-Ästhetik, die sich aus Betonoberflächen, Stahltreppen, sichtbaren Leitungen und der industriell anmutenden Glasfassade zusammensetzt. Dabei wirkt die Bibliothek wie eine großmaßstäbliche Variante der "Autoprogettazione"-Serie des Designmarxisten Enzo Mari, der mit zusammenbaubaren Möbeln zur "Selbst-Gestaltung" und damit zur partizipativen Aneignung von Designprozessen beitragen wollte. Diesen Gedanken treibt auch die Aarhus School of Architecture um, die mit ihrem neuen Gebäude nicht nur ein experimentelles Umfeld für die Studierenden und Lehrenden schaffen will, sondern auch den Austausch mit der Nachbarschaft sucht. Dazu trägt sowohl die transparente Hülle, das offene Raumkonzept als auch das Nutzungskonzept bei, wie Martin Krogh erklärt: "Der Entwurf lässt Innen- und Außenräume verschmelzen, nicht nur durch seine buchstäbliche Transparenz, sondern auch durch die Frage, welche Räume zur Universität gehören und welche zur Stadt. Das bedeutet, dass sowohl das städtische Umfeld als auch die Lehre das Gebäude in Zukunft prägen werden. Der Neubau an sich ist noch kein neuer Stadtbaustein – erst durch seine Nutzerinnen und Nutzer ist er vollständig."

Indem die Planer bei der Errichtung auf eine reduzierte Materialität sowie lokale Produktions- und Transportketten setzten, bieten sie zudem einen nachhaltigen Ansatz. In diesem Sinne wurde auch der Hersteller der Betonkonstruktion dazu verpflichtet, bei der Errichtung eine nachhaltige Fertigungsweise einzuhalten, die eine abfallfreie Produktion begünstigt. Hinzu kommen Upcycling-Holzböden, die aus Resten der industriellen Fensterproduktion hergestellt wurden – und auch Teile der Bibliothek bestehen aus einem wiederverwendeten Regalsystem. Darüber hinaus soll der Energieverbrauch der Schule im Vergleich zur Summe der zehn bisherigen Standorte um bis zu 50 Prozent gesenkt werden. Ob der Werkstoff Beton und die großflächigen Verglasungen dazu sinnvoll beitragen ist allerdings fraglich, weshalb die Aarhus School of Architecture vor allem auf einer formal-gestalterischen und räumlichen Ebene überzeugt. Das offene Konzept einer Einbindung der Nachbarschaft thematisiert dabei die grundsätzliche Fragestellung, wie man planerisch auf organisch gewachsene Orte wie das "Institute for X" reagiert. Ob die Symbiose aus gemeinnützigem Kulturverein und institutionellem Vorzeigeprojekt funktioniert, wird die weitere Quartiersentwicklung zeigen. Die ersten Rahmenbedingungen sind schon mal gesetzt.