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Antrei Hartikainen

An der Schnittstelle

Antrei Hartikainen realisiert vom südfinnischen Fiskars Village aus Projekte, die Produktdesign wie Skulptur oder Installation sein können. Den Wandel zwischen den Disziplinen übersetzt der Designer, Tischlermeister und Bildhauer in außergewöhnliche Werke.
12.10.2022

Die Arbeiten von Antrei Hartikainen zeugen von der Sensibilität, dem Einfallsreichtum und dem handwerklichen Können, das die Schnittstelle zwischen Kunst und Design erfordert. Parallel ist es für ihn bedeutsam, die Traditionen des Handwerks zu pflegen und mutig mit neuen Techniken zu kombinieren, um diese stetig weiterzuentwickeln. Im Rahmen einer dreiwöchigen Residenz im Schloss Hollenegg sich Hartikainen im Juli diesen Jahres von den eindrucksvollen Räumlichkeiten und der reichen Geschichte des Ortes inspirieren und wählte für seine Arbeit den Zwischenraum, um dessen zugrundeliegenden Strukturen wie Schichten herauszuarbeiten und zu betonen. Die Resultate werden ab Mai 2023 in der Ausstellung "Ashes & Sand" im Schloss Hollenegg zu sehen sein. Sein Herangehensweise erklärt er uns im Interview.

Herr Hartikainen, als Tischlermeister arbeiten Sie bevorzugt mit Holz, haben aber vor kurzem auch das Material Glas für sich entdeckt – gibt es da Schnittstellen?

Antrei Hartikainen: Bei meinem laufenden Projekt ist das verbindende Element nur das Holz, das für die Glasformen verwendet wird. Es gibt aber verschiedene Werke, bei denen ich Glas und Holz kombiniere. Wir werden sehen, ob sich etwas davon weiterentwickelt.

Was sind die Herausforderungen und Möglichkeiten bei der Arbeit mit Glas im Vergleich zu Holz?

Antrei Hartikainen: Wenn es um Skulpturen, handgefertigte Produkte oder Sammlerstücke geht, besteht einer der größten Unterschiede für mich darin, dass ich die Verarbeitung des Materials nicht selbst steuern kann, sondern immer auf die Zusammenarbeit mit den GlasbläserInnen angewiesen bin. Nachdem ich eine Idee mit dem Material Holz entwickelt habe, kann ich das Werk, wenn nötig, ganz alleine realisieren. Dieser Umstand ist für mich erbaulich wie problematisch zugleich. Die Bearbeitung von Glas hingegen ist überraschend und sehr faszinierend. Der Prozess sowie das Glas als physikalisches Material sind sehr heikel, anspruchsvoll und erfordern eine gewisse Toleranz gegenüber Unwägbarkeiten in den verschiedenen Herstellungsschritten. Der Überraschungsmoment im Materialverhalten erfordert auch eine ständige Bereitschaft zur Veränderung.

Woher nehmen Sie die Inspiration für Ihre Entwürfe?

Antrei Hartikainen: Ich lasse mich oft von der Natur und von der vom Menschen geformten Landschaft inspirieren, von den Momenten, die ich in der Natur und im Alltag beobachte sowie von den Maßstäblichkeiten und Detailgraden der Architektur.

Beeinflussen auch handwerkliche Methoden das sichtbare Endergebnis Ihrer Arbeit oder suchen Sie eher nach neuen Wegen, um die Bilder in Ihrem Kopf umzusetzen?

Antrei Hartikainen: In manchen Fällen möchte ich die Eigenschaften einer bestimmten Technik hervorheben, die sich dann auch auf das visuelle Ergebnis auswirken. Ich hinterfrage stets die Wahrnehmung des Materials, das ich gerade bearbeite, überlege mir, wofür es sich eignet und mit welchen Techniken ich arbeiten kann. Manchmal führt das geplante Werk zu einem bestimmten Material oder einer bestimmten Technik, aber genauso oft leitet es selbst den Prozess, und in diesem Fall ändert sich das Arbeitsmuster in vielerlei Hinsicht. Ich versuche, traditionelle Arbeitsmethoden und -techniken ausgiebig zu nutzen, sie aber gleichzeitig bestmöglich mit moderner Technik zu kombinieren.

Wie verbinden Sie in Ihrer täglichen Arbeit die Gestaltung von funktionalen Produkten mit künstlerischen Installationen? Bedingt das eine das andere?

Antrei Hartikainen: Genau das ist der interessante Mittelweg zwischen Kunst, Design und Handwerk. Alles beeinflusst alles. Ein entwickeltes Produkt oder Möbelstück kann eine Voridee für eine Skulptur oder eine Installation sein. Ebenso kann aus einem Einzelstück eine Idee für ein seriell produziertes, praktisches Produkt entstehen. Auch die Prozesse zwischen den verschiedenen Bereichen sind sehr unterschiedlich und speisen so die Ideen auf vielfältige Weise.

"Melt"
"Disco"

Gehen Sie bei Ihren Entwürfen eher von der Form oder von den NutzerInnen aus?

Antrei Hartikainen: Ich denke zuerst an die Ästhetik und dann an die Funktionalität - ebenso gehe ich von den Formen und Materialeigenschaften wie den Grenzen und Möglichkeiten der Technik aus. Für die NutzerInnen versuche ich geeignete Anknüpfungspunkte zu finden. Das Hauptziel ist etwas zu schaffen, das für die Augen wie für den Geist eine Freude ist. Rein mit Blick auf die Verwendung ist es sehr schwierig, eine solche Beziehung herzustellen. Auch wenn es natürlich in vielen Fällen besser ist, insbesondere beim Möbeldesign, das auf eine Massenproduktion abzielt, von den Produktionsmöglichkeiten, den Bedürfnissen der EndverbraucherInnen und der Praktikabilität auszugehen und innerhalb dieses Rahmens eine Vision des Ganzen zu entwickeln.

Ein Projekt oder Produkt, das Sie in Zukunft gerne realisieren würden?

Antrei Hartikainen: Ich habe kein bestimmtes Projekt im Kopf, das ich gerne verwirklichen würde. Ich möchte weiterhin vielseitige Projekte auf breiter Front durchführen und die Palette der Materialien weiter diversifizieren. Ich hoffe, eine Vielzahl von Projekten realisieren zu können, bei denen ich das spezielle Fachwissen auch aus anderen Bereichen gezielt nutzen kann.

Gibt es eine Auszeichnung oder ein Produkt, das Ihnen besonders am Herzen liegt und wenn ja, warum?

Antrei Hartikainen: Als ich 2018 zum "Young Designer of the Year" in Finnland gewählt wurde, hat mich diese Ehrung ermutigt, meinen eigenen Weg weiterzugehen, auch wenn ich keine spezielle Designausbildung durchlaufen habe. Die Anerkennungen haben mir den Anstoß gegeben, dass die Ausbildung nicht unbedingt eine essenzielle Rolle spielt, um im Design erfolgreich sein zu können.

"Y-Installation" von Emmi Keskisarja, Janne Teräsvuori, Tommi Alatalo und Antrei Hartikainen