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Thema beim Axor-Talk: Soll das Hotelbad morgens funktional genutzt werden und abends der Entspannung dienen?

Stylepark Axor
Der Butler im Bad

Manchmal muss man sich zusammensetzen, um Dinge zu besprechen. Am besten dort, wo ohnehin Experten und Interessierte zusammenkommen. Auf der ISH boten drei intensive „Axor-Talks“ mehr als nur Unterhaltung.
von Thomas Edelmann | 07.06.2017

Neue Produkte und Dienstleistungen dem internationalen Publikum vorstellen, das ist es, was gewöhnlich von einem Messeauftritt erwartet wird. Mit den Axor-Talks außerhalb des eigenen Messestandes bot AXOR/Hansgrohe SE während der ISH eine weitergehende diskursive Ergänzung. Messen sind andererseits keine Debattierclubs. Für jeweils eine Stunde fanden im Rahmen des Trendforums „Pop up my Bathroom“ Gesprächsrunden an drei aufeinander folgenden Tagen zusammen. Sie waren gut besucht, da sie Zukunft und Gegenwart, Praxis und forschende Projektion überzeugend miteinander kombinierten.

Zum übergeordneten Thema „Individualisierung“ wurden drei vertiefende Themen erörtert. Um smarte Hotel-Badezimmer ging es in der ersten Runde, um Auswirkungen des Megatrends Individualisierung aufs Hotelbad am zweiten Tag. Abschließend wurden Konzepte des "Bathroom Sharing" zur Diskussion gestellt. Vor dem Hintergrund von veränderten Lebensentwürfen im Zuge des demokratischen Wandels war dies wohl die visionärste Thematik, mit zugleich politisch relevanten Implikationen. Klug, zurückhaltend und nachdrücklich moderierte Bernhard Heuvelmann, ein Prozessberater und Coach, die drei Diskussionsrunden, die durch ihn ihren roten Faden erhielten. Jeweils fanden auf dem Podium Kreative, forschende Pragmatiker, Anwender und Planer neuer Techniken zusammen, was zur Artikulation unterschiedlicher Positionen beitrug.

Ian Biglands, Premier Inn
Uta Kurz, Design-Coach
Bernd Eigenstetter, Phoenix Design

AXOR TALK 1

Digital im Hotelbad

Diskutiert wurde etwa über Erwartungen von Geschäftsleuten ans moderne Hotelbad. Soll es morgens hauptsächlich funktional genutzt werden und abends der Entspannung dienen? Welche Möglichkeiten bietet die Digitalisierung? Ian Biglands, für Entwicklung der Hotelkette Premier Inn zuständig, die sich als „Premium Economy“-Marke begreift, erscheint dies derzeit noch als schwieriges, weil unerreichbares Thema. Erst was sich im Vier- und Fünfsterne-Bereich als Standard durchgesetzt habe, erhalte wirtschaftlich auch in anderen Hotelklassen eine Chance. Allerdings verbreiteten sich neue Angebote, wie etwa Dusch-WCs mit großer Geschwindigkeit und erreichten bald alle Preis- und Ausstattungsklassen der Hotels.

Designer Bernd Eigenstetter, bei Phoenix Design mit User Interface und User Experience befasst, sieht dagegen durch die Digitalisierung eine Chance für erweiterte Funktionalitäten, wer mehr und bessere Daten von den Kunden generiere, könne Mehrwerte anbieten und mit vergleichsweise geringen Kosten große Wirkung erzielen. Denkbar sei, sich bereits im Bad über Wetterlage und Nachrichten zu informieren oder das Taxi zu bestellen. Uta Kurz, ausgebildete Produktdesignerin, arbeitet als Coach und übersetzt die nonverbale Sprache des Designs all jenen, die gestalterische Entscheidungen treffen, ohne darauf vorbereitet zu sein. Für sie spielt die Digitalisierung im Hotel heute bei der Lichtplanung und Lichtsteuerung bereits eine maßgebliche Rolle, etwa bei aktivierendem Blauanteil am Morgen und beruhigendem Rotanteil am Abend, die LED-Leuchten elektronisch beigemischt werden. Die Zeiten, da Kosten von Materialien und Ausstattung im Luxushotel als vernachlässigbar galten, sind vorbei. Folgekosten würden heute von Reinigung und Wartung frühzeitig mit einkalkuliert.

Digitale Errungenschaften müssen einfach nutzbar sein - gerade im Hotel.
Sensorarmaturen - heute schon ein fester Bestandteil von öffentlichen Bereichen. Waschtischmischer der Kollektion "AXOR Citterio" von Axor.

Wie digital müssen Hotelbäder künftig sein? Was wird möglich sein und wo sehen Sie die Grenze des Wünschbaren? fragte der Moderator. Eigenstetter betont, dass viele das Bad als letzten analogen Rückzugsraum begreifen würden, andere dagegen die avancierten Möglichkeiten der Technik ausreizen möchten. So sei es technisch bereits möglich, das Hotelzimmer virtuell zu verändern, sich etwa mittels digitaler Projektionen in andere Weltgegenden zu versetzen. Beide Gruppen schätzt Eigenstetter gleich stark ein. Er fragt sich, worin angesichts potentieller Erweiterungen künftig digitaler Luxus bestehe. Premium-Hotels würden wohl bessere Serviceangebote entwickeln, deren Logistik andere überfordere. Auf einen wesentlichen Aspekt machte Uta Kurz aufmerksam: Digitale Errungenschaften im Hotel müssten einfach nutzbar sein und tatsächlich funktionieren.

Was banal klingt, trifft ein Kernproblem, denn andernfalls löst die viel zitierte emotionale Erfahrung, die Nutzer mit der Technik machen, ein Gefühl eigener Unzulänglichkeit aus. Kurz unterschied hier zwischen Techniken, die im Hotel fest installiert sind, etwa Sensoren und denen, die per mitgebrachtem Smartphone gesteuert werden. Die Wassernutzung möchte Hotel-Manager Biglands mittels Digitalisierung effektiver gestalten. Um dem Badnutzer ein angenehmes Erlebnis zu vermitteln, würden heute Duschsysteme genutzt, die den Verbrauch verdreifachten. Diskutiert wurden Verbrauchs-Monitoring, Themen der Nachhaltigkeit. Von Datengewinnung, Datenschutz, vernetzter Sensortechnik, Möglichkeiten und Grenzen der Standardisierung (hinter der Wand ja, davor möglichst nicht), war die Rede.

Jeanette Huber, Zukunftsinstitut
Bernd Hollin, Hollin + Radoske
Eva Herrmann, The Fritz

AXOR TALK 2

Auswirkungen der Individualisierung

Am Tag darauf ähnelten sich die Funktionen der Teilnehmer der Runde, doch mit anderen Ergebnissen. Jeanette Huber vom Zukunftsinstitut, Bernd Hollin, ein Frankfurter Architekt und Eva Herrmann, die Geschäftsführerin des Düsseldorfer Boutique-Hotels „The Fritz“ saßen auf dem Podium. Wieder stand das Hotel-Bad im Fokus, nun im Blick auf Herausforderungen der Individualisierung.

Huber skizzierte, was der soziale Wandel biografisch bedeutet und folgerte: „Individualisierung verändert unsere Biografien“, in Bezug auf Architektur und Wohnen forderte sie: „Wir brauchen nicht mehr perfekte Monofunktionalität, sondern modulare Wandelbarkeit. Zum Beispiel auch im Bad.“ Architekt Hollin, der mit Alexander Radoske ein Büro mit 24 Architekten und Designern betreibt, verwies auf Möglichkeiten „Welten über gebaute Substanz zu evozieren“ und zeigte Beispiele aus seiner langjährigen Zusammenarbeit mit der Lufthansa, für die sein Büro Lounges und First Class-Bereiche im A380 entwarf. Wo ist Design nicht mehr individuell, wo wird es aus ihrer Sicht exaltiert?, fragte der Moderator die Hotel-Geschäftsführerin. Wie ihr Berufskollege am Tag zuvor macht sie das an der Wirtschaftlichkeit fest. „Wenn’s zu teuer wird, ist es für die Hotelfachbranche nicht mehr interessant. Man baut nicht ein Bad, sondern mehrere. Bei uns sind es nur 31, aber in großen Häusern mit bis zu 400 Bädern ist das Budget der entscheidende Faktor.“ Um sich zu differenzieren, habe sie in ihrem Haus „das Design ganz nach vorne gestellt“. Die Innenarchitektur stammt von der Niederländerin Vivian van Schagen, Holz und Marmor dominieren die Gestaltung. Schwarz, Weiß und Gold prägen die Räume, im Bad mit glänzend-goldenen Axor-Armaturen.

Die Bäder im Boutique-Hotel "The Fritz" in Düsseldorf zieren Armaturen in Gold-Optik von Hansgrohe und Axor.
Komfortables Duschen dank "AXOR ShowerSelect Thermostat" samt Stabhandbrause aus der Kollektion "AXOR Starck" der Marke Axor.

Zukunftsforscherin Huber wurde konkret: Komfort und High-Tech seien begehrt, doch wie Kurz am Vortag, besteht auch sie darauf, dass ein Kontrollverlust gegenüber der Technik nicht akzeptabel ist. „Wir brauchen so etwas wie empathische Technologie, die im Hintergrund wirkt.“ Ein wenig erinnert das ans angelsächsische Konzept des Butlers, der trotz anderslautender PR-Versprechen längst noch keinen digitalen Nachfolger gefunden hat. Architekt Hollin interessiert sich stärker für das „Spannungsverhältnis zwischen Individualisierung und Identität“, denn er baut Räume für Marken, die neben der Differenzierung der Oberflächen auf die Wiedererkennbarkeit des Marken-Absenders setzen. Für Hotel-Managerin Herrmann ist die verlässliche Nutzbarkeit ihrer luxuriösen Einrichtung essentiell. Dennoch betont sie: „Es geht in der Gastronomie viel um Psychologie.“ Um Wohlbefinden zu erzeugen, müsse auf viele Kleinigkeiten geachtet werden. „Unser Ziel war, etwas zu bauen, das hochwertig ist, aber keinesfalls spießig, das edel ist und Humor hat.“ Für sie sei die neue Nachhaltigkeit die alte Langlebigkeit.

Thomas Bade, Institut für Universal Design
Bernhard Franken, Franken Architekten
Fabian Kienzler, Hansgrohe/Axor

AXOR TALK 3

Formen der Gemeinschaft

Die dritte und letzte Runde eröffnete noch einmal ein großes gestalterisch-politisch-soziales Tableau. Um nicht weniger als alternative Lebensformen und deren bauliche Gestaltung, um gemeinsamen Gebrauch von Bädern und „Demografiefestigkeit“ des Wohnbestands kreiste der dritte Axor-Talk. Dabei diskutierten Architekt Bernhard Franken aus Frankfurt, Thomas Bade, der das Institut für Universal Design in München und Stadthagen leitet, sowie Fabian Kinzler, bei Hansgrohe und Axor für Wohnungsbau & Pflege zuständig, also für Kunden aus der Wohnungswirtschaft und für Betreiber von Pflegeeinrichtungen.

Die Debatte handelte von „Demografiefestigkeit“ der Wohnungen, von alternativen Wohnmodellen, etwa von Sharing-Konzepten, bei denen Räume geteilt und gemeinsam genutzt werden. Geht das, abgesehen von innovativen Hotel- und Bürokonzepten, etwa auch im Bad? Architekt Franken, dessen Büro spezialisiert sei „mit räumlichen Mitteln Geschichten zu erzählen“, berichtete von Projekten, bei denen das Teilen des Raumes im Mittelpunkt steht. „Ein Bad war noch nie dabei“, sagt er.

„Die Zukunft liegt nicht mehr im Produkt, sondern im Raumszenario“, behauptet Thomas Bade vom Institut für Universal Design. Die Scheu vor dem Thema des demografischen Wandels sei inzwischen wirtschaftlichen Erwägungen gewichen. Nicht im Neubau von möglichst barrierefreien Wohnungen, sondern im Bestand lauern die Herausforderungen. Dessen 2,5 Millionen Wohneinheiten gelte es „demografiefest“ zu machen. Wofür allein die Wohnungswirtschaft mit rund 15000 Euro pro Wohneinheit rechne, ein Großteil der Mittel fließe ins Bad. Für Fabian Kinzler, der dieses Projektgeschäft für Hansgrohe und Axor als Teamleiter genauestens kennt, bedarf allerdings das Raumszenario, von dem Bade sprach, der richtigen Produkte, die unterschiedlichsten Gruppen von Nutzern entsprächen.

Gemeinschaftsbecken der Wohngenossenschaft Kraftwerk1 in Zürich.
Leichte Umstellung von Kopf- auf Handbrause im "The Fritz" dank "AXOR ShowerSelect Thermostat".

Während Architekt Franken an Experimenten interessiert ist, die Standards überwinden, daran, bestehende Wohnungsgrenzen aufzulösen, um gemeinschaftlich genutzten Bereichen mehr Raum zu schaffen und Longterm-Stay, Boarding- oder Sharing-Konzepte zu erproben, diskutierten Bade und Kinzler entlang der Erwartungen der Wohnungswirtschaft. Bade erwartet, dass sich so etwas wie ein ökonomisch bedingtes Zwangs-Sharing auch des Badezimmers entsteht, nach dem Vorbild von Pflegebädern in entsprechenden Einrichtungen. Während an den Vortagen Gestaltung als individuelle Dreingabe gesehen wurde, wird sie nun als Voraussetzung diskutiert, um möglichst lange in der eigenen Wohnumgebung aktiv sein zu können. Kinzler konstatiert, dass bei aktuellen Wohnungsbauvorhaben die Standardisierung stärker im Fokus ist „als der Endnutzer das möchte.“ Zugleich widerspricht er Erwartungen an geteilte Bäder: Wer heute Mikro-Appartements oder Studenten-Kleinstwohnungen baue, statte die mit eigenen Kompaktbädern aus. „Etagenbäder senken die Vermietbarkeit“. Und auch in der stationären Pflege würden eigene Bäder zunehmend vorgeschrieben.

Als „Reflex des Ängstlichen“ versteht Franken den Hang zur Standardisierung. Er konstatiert die Hybridisierung von Hotel- und Wohnformen. Statt einer Standardisierung von Produkten und räumlichen Anforderungen wünscht er sich, dass flexible Prozesse zum Regelfall werden. Ähnlich der Entwicklung im Bürosektor, wo an die Stelle dauerhafter Vermietung großer Flächen neue Hotel-ähnliche Konzepte treten, die flexiblere gestalterische Antworten erfordern, werde sich auch der Wohnmarkt wandeln. Aus Vermietern müssten auch dort Betreiber werden, die laufend auf die Änderungswünsche der Nutzer eingehen. Die Welt ein Hotel? Bade und Kinzler meldeten im Hinblick auf die Mehrzahl der Nutzer und die Wohnungswirtschaft Zweifel an. Wichtig sei, hohe Ausstattungsstandards zu definieren, deren Nutzbarkeit sich immer wieder an veränderte Erwartungen anpassen lasse. Bade plädiert zudem für eine veränderte Kultur der Kooperation zwischen unterschiedlichen Gewerken.

So wenig Raum das Umfeld einer Messe lässt, um die angerissenen Fragen vertiefend zu behandeln, so gelang es jeder der drei Diskussionsrunden, aktuelle Themen der Badgestaltung mehr als nur schlaglichtartig zu beleuchten. „Axor Talks“ sind dabei, sich zu einem anregenden Branchenforum zu entwickeln.

Der goldene Akzent ist nicht nur an den Armaturen im "The Fritz" zu finden, sondern zieht sich durch das ganze Interior Design.