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Daniel Stromborg, Product Development Design Director bei Gensler

Wissen was gefragt ist

Daniel Stromborg, Product Development Design Director bei Gensler, sprach mit Stylepark über das Design von "Mixu" für Arper und warum es derzeit einen Bedarf an nachhaltigen Systemen gibt, die eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten bieten.
14.10.2021

Anna Moldenhauer: Daniel, wie ist die Idee zu "Mixu" in Kooperation mit Arper entstanden?

Daniel Stromborg: Das Projekt begann mit der Suche nach einem neuen Stuhl, in diesem Fall einem Kunststoffstuhl. Wir haben diese Idee jedoch schnell verworfen, weil wir bei unseren Recherchen feststellten, dass es auf dem Markt einen anderen Bedarf gab. Unsere Forschung band die rund 6.000 DesignerInnen mit denen wir arbeiten mit ein – wir haben auf diese Weise so 35 Design Direktoren bei Gensler von London bis Tokio gefragt, was sie und ihre KundInnen derzeit von einem Stuhl erwarten. Die Antwort lautete: Individualisierung. Wir haben dann daran gearbeitet, den NutzerInnen von "Mixu" eine Plattform an die Hand zu geben, die Individualisierung nicht nur zulässt, sondern auch fördert, um den DesignerInnen die Autorschaft über ihre Räume zu geben. Das dreiteilige System aus Sitz, Rückenlehne und Untergestell kann mit einer breiten Palette von Farb- und Texturkombinationen personalisiert werden. Ein "Mix and Match"-Baukasten sozusagen, der DesignerInnen und ArchitektInnen die Möglichkeit gibt, das Produkt für ihre Projekte anzupassen. Ich denke, das ist es, worum es beim Design im Allgemeinen gehen sollte: den tatsächlichen Bedarf an Produkten zu erkennen und entsprechend zu gestalten.

Was war darüber hinaus für das Team im Design von "Mixu" ausschlaggebend?

Daniel Stromborg: Ein weiterer wichtiger Punkt war, das Angebot so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Wir haben postindustrielles Recyclingplastik, 100 Prozent recycelbare Kunststoffe, recycelten Stahl, Leder, Stoff und FSC-zertifiziertes Holz verwendet. Klebstoffe, Heftklammern und umweltschädliche Bindemittel kamen nicht in Frage. Alle Komponenten können ohne großen Aufwand ausgetauscht werden, was der Langlebigkeit des Stuhls zugutekommt. Im Grunde genommen haben wir Mixu" in umgekehrter Richtung entwickelt, was seine Konstruktion betrifft, und damit einen völlig anderen Ansatz als zuvor verfolgt. Das gilt sowohl für die Art und Weise, wie wir ihn entworfen haben, als auch für die Art und Weise, wie er transportiert wird. Der Stuhl wird zerlegt ausgeliefert, um den Luftwiderstand während des Transports zu verringern und so den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Mit der Gensler Cities Climate Challenge (GC3) hat sich Gensler dazu verpflichtet, alle Projekte bis 2030 klimaneutral zu stellen. Daher ist es wichtig, der Design-Community Produkte anzubieten, die diese Initiative unterstützen, wie man am Design des "Mixu" von Arper sehen kann.

Die Form von "Mixu" ist dabei sehr klar und zurückhaltend, was war da euer Gedanke?

Daniel Stromborg: Teil der Formfindung war die Entwicklung innerhalb der Designsprache von Arper. Es ist ganz klar, was ein Arper-Produkt ist und was nicht. Ich glaube, dass es unsere Aufgabe als DesignerInnen ist, etwas zu entwerfen, das sich gut in das Ökosystem der Marke einfügt. Wir haben uns kopfüber in die Formensprache gestürzt, die definiert, was ein Arper-Produkt ist, und das kann man in jeder unserer Designentscheidungen sehen. Es gibt einen roten Faden, der alle Produkte von Arper miteinander verbindet, etwas, das wir als "perfekt unvollkommen" bezeichneten und das die Grundlage für die Silhouette des Stuhls bildete. Die Formen und formalen Beziehungen haben alle etwas Humanistisches - sie sind nicht zu aufdringlich, bieten aber dennoch Wiedererkennungswert.

Bevor du zu Gensler kamst, hast du kurzzeitig Interior Design studiert und sowohl als selbstständiger Designer wie im Studio von Don Chadwick gearbeitet, wie beeinflusst diese Ausbildung deine Gestaltung heute?

Daniel Stromborg: Ich hatte in meiner beruflichen Laufbahn das große Glück, dass ich viele verschiedene Wege im Design ausprobieren konnte. Ich glaube, ich konnte herauskristallisieren, welche Aspekte für mich von Bedeutung sind. Als Designer ist es meiner Meinung nach wichtig, Design auf einer ganzheitlichen Ebene zu verstehen, nicht nur kurzsichtig, wie es der Fall wäre, wenn man sich auf einen bestimmten Bereich von Design beschränkt. Es hängt alles zusammen – Schrift, Form, Raum, Licht und Klang. Meine Zeit mit Don Chadwick hat mich sehr beeinflusst, weil er in seiner Arbeit nicht den vorgeschriebenen Wegen folgt, sondern sehr experimentell arbeitet. Don betrachtet sein Studio gerne als ein Labor, und sein Streben nach Innovation war unglaublich inspirierend.

Du arbeitest in Los Angeles und allgemein in den USA, reist aber gleichzeitig viel zu Projekten in Europa. Welche Unterschiede im Verständnis von Design nimmst du dabei wahr?

Daniel Stromborg: Das ist von Region zu Region unterschiedlich, sogar innerhalb der USA. Ich habe erst kürzlich mit jemandem darüber gesprochen, dass sich DesignerInnen an der Westküste zum Beispiel eher zu leichteren Materialien hingezogen fühlen und von jeher sehr offen für kreative Experimente sind. Generell würde ich aber sagen, dass es ein Verlangen nach Design gibt, das Freude macht, was vielleicht auch an der Pandemie liegt. Ich glaube, es gibt einen neu entdeckten Optimismus, der nach diesen 18 Monaten des Alleinseins aufgetaucht ist, und das spiegelt sich auch im Design wider. In Anbetracht der scheinbar radikalen Veränderungen, die unser Klima derzeit erfährt, denke ich auch, dass die gesamte Designgemeinschaft nach wirklich nachhaltigen Produkten sucht.