REVIEW – EUROLUCE & MILAN DESIGN WEEK 2025
Lichtgeschichten aus Mailand
Die Euroluce, die Licht- und Leuchtenschau der Möbelmesse Salone del Mobile, hat ihre Position behauptet: Im Vergleich zur vorangegangen Ausgabe im Jahr 2023 ist die Zahl der AusstellerInnen im einstelligen Bereich zurückgegangen, auf 306. Die Zahl der Besucherinnen und Besucher weisen die OrganisatorInnen für die Euroluce nicht eigens aus. Der Mix der Hersteller und Marken war stimmig, die großen italienischen Namen wie Flos, Artemide oder Foscarini mischten sich mit internationalen Herstellern aus allen Segmenten, von Rakumba aus Australien über Brokis aus Tschechien und Vibia aus Spanien bis hin zu BTC Original aus England. Der deutsche Hersteller Occhio präsentierte sich wie gewohnt in der Stadt, und war damit in guter Gesellschaft, gab es doch in den Palazzi und Ausstellungen ebenfalls viele Leuchten-Neuheiten zu entdecken. Der Vorteil der Euroluce: So kompakt und konzentriert wie in den vier Messehallen in Rho lässt sich das Angebot nirgends erkunden. Allerdings ist die Messegesellschaft nach dem innovativen, besucherfreundlichen Grundriss im Jahr 2023 wieder zu einer konventionelleren Wegeführung und Standverteilung zurückgekehrt – auf Wunsch der AusstellerInnen, wie man hört. Ein Best-of der Neuheiten von der Messe und aus der Stadt, sortiert nach vier Kategorien: System, Material, Klassiker und Persönlichkeit.
System
Licht hat häufig System: Schienen und Raster, Spots und Streifen bringt Licht großflächig oder punktuell in unseren Alltag, doch meist diskret im Hintergrund. Auch bei der Euroluce gab es an vielen Ständen Systemlösungen zu sehen. Gestalterisch aufgefallen ist "Map" am Stand des italienischen Leuchtenherstellers Lodes, entworfen vom Berliner Designduo Geckler Michels. "Map" besteht lediglich aus zwei Grundelementen, einem elektrisch leitenden Textilband und einer zylindrischen Leuchteneinheit. Verbunden mit dem Band, können die Leuchten frei auf Wand und Decke platziert werden. Da es nur ein Stromquelle braucht, eignet sich das System besonders für Altbauten. Konstantin Grcic hat für Flos das Konzept der schienenbasierten Beleuchtung neu gedacht: "Nocturne" basiert auf einer Schiene, die aber nicht an Wand oder Decke, sondern frei im Raum als Pendel- oder Stehleuchte eingesetzt wird. Daran befestigt werden Schirme aus klarem Glas, die klassischen Leuchtenformen zeichenhaft nachempfunden sind. So vereint "Nocturne" technisches und dekoratives Licht auf neuartige Weise.
Material
Ob Licht auch ein Material ist und in Architektur und Innenarchitektur entsprechend eingesetzt werden kann, darüber sind GestalterInnen geteilter Meinung. Die Materialität von Leuchten allerdings, die ist unbestreitbar und wurde dieses Jahr in Mailand vielfach inszeniert. David Pompa etwa, halb Österreicher, halb Mexikaner, hat sich ganz den typischen Werkstoffen und Handwerkstechniken Mexikos verschrieben. Entsprechend war der Euroluce-Stand seines Unternehmens als Materialatlas gestaltet, mit Kapiteln zu geschwärzter Keramik, recyceltem Glas, Palmfasern, Lavastein oder Silber. Die Leuchten werden lokal produziert und sind reparierbar. Beim australischen Herstellers Rakumba wiederum stand eine einzige Leuchte im Mittelpunkt: "Big Glow" von Studio Truly Truly. Der Schirm der warm scheinenden Pendelleuchte besteht aus einem Gemisch aus Wolle und Fasern aus Biokunststoff und ist biologisch abbaubar. Trotz des großen Formats kann die Wollleuchte gefaltet und flatpack verschickt werden.
Ein traditionelles Material für Leuchten ist in vielen Kulturen Papier: Michael Anastassiades aus London setzt seine modulare Leuchte "Cygnet" aus dreieckige Papierstücken zusammen, inspiriert von den Strukturen von Flugdrachen, in Mailand zu sehen in den Räumen der Fondazione Danese. Erwan Bouroullec wiederum verwendet für sein spielerisches Lichtobjekt "Maap" (Flos) das papierartige Tyvek. Mit einem Streifenmuster bedruckt, dekorativ zerknittert und mit Magneten variabel befestigt, entstehen daraus wolkenartige Gebilde, mehr Stimmungsmacher als Lichtquelle. Auch Glas scheint als Inspirationsquelle nie zu versiegen: Der kanadische Hersteller Bocci zeigte in seinem Mailänder Showroom einen neuen Entwurf von Kreativdirektor Omer Arbel. Die mundgeblasene Leuchte 141 besteht aus zwei gläsernen Blättern, die wie zufällig über einem Metallstab zu hängen scheinen. Der Stab wiederum ist Lichtquelle und Aufhängung zugleich. Bei Patrick Jouins Pendelleuchte "Vera" für Lasvit ist der Bezug zur Natur ganz unmittelbar: Die länglichen Glaselemente sind mit Abdrücken von Baumrinde strukturiert.
Klassiker
LEDs haben das Licht befreit und den DesignerInnen schier unendliche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Und doch bleiben klassische Leuchtenformen relevant, weil sie vertraut wirken und gelernte Rollen im Interieur erfüllen. So schmückte bei der französischen Marke DCW éditions ein prächtiger Kronleuchter den Stand. Doch "Lampe C" von Thierry Dreyfus ist nicht aus blitzendem Kristall, sondern aus Metallketten, und die Lichtquelle verbirgt sich in einem rechteckigen Rahmen. Auch bei Foscarini gab es eine Neuinterpretation des Lüsters: Francesca Lanzavecchia hat "Allumette" eine kühle, asymmetrische Form gegeben – und die notwendige Verkabelung der vielen Lichtquellen als Teil des Designs inszeniert, statt sie zu verstecken. Übrigens eine der wenigen Designerinnen mit bemerkenswerten Neuheiten in einer immer noch überwiegend von Männern geprägten Branche. Eine weitere, besonders prominente Ausnahme: Carlotta de Bevilacqua, Präsidentin von Artemide und produktive Designerin. Doch zurück zu den aktualisierten Klassikern, mit dem Typus des einfachen, weißen Glaswürfels, den man etwas als Hausnummernbeleuchtung kennt. Doch das Mailänder Designduo 6AM hat der bescheidenen Form mit der Kollektion Quadrato einen großen Auftritt bereitet: In ihrer sehenswerten Ausstellung "Two-Fold Silence" im 30er-Jahre-Schwimmbad Piscina Cozzi gab es überall Würfelleuchten zu sehen, allerdings mundgeblasen in Venetien und zu Clustern arrangiert oder von Mustern durchzogen. Zum Instagram-Star avancierte die rote Version mit dem weißen EXIT-Schriftzug.
Persönlichkeit
Die Aufgabe von Leuchten ist es, Helligkeit zu spenden, je nach Form und Situation? Zweifellos, aber neben diese offensichtliche Funktion treten vor allem im dekorativen Segment oft weitere, die ein Kleiderschrank oder ein Esstisch eher selten erfüllen: nämlich zu unterhalten, Geschichten zu erzählen, Assoziationen zu wecken, sogar zu amüsieren. Wie sonst erklärt sich die ausgesprochen niedliche, fast schon schlumpfige Gestalt der tragbaren Leuchte "Trois Rois" vom Architekturbüro Herzog & de Meuron für Artemide? Ebenso entzückend: die pilzartige Außenleuchte Kinno von Patrick Norguet für Lodes, die sich im Garten ganz natürlich einfügen wird. Charaktervoll ist auch die Tischleuchte "Gambosa" von Marset mit ihrem weiten, flachen Hut. Designer Mathias Hahn hat ihr eine etwas kapriziöse, aber sympathische Persönlichkeit verliehen. Die strenge "Pagode", eine Tischleuchte seitens Daniel Heilig von Heilig Objects aus dem hessischen Griesheim, lässt dagegen an fernöstliche Architekturen denken.
Auch "Campfire" vom Hamburger Label Grau trägt ihr Vorbild schon im Namen. An ein Bündel überdimensionale Streichhölzer erinnernd, soll das große Lichtobjekt der sanft leuchtenden Anziehungspunkt sein, um den sich alle gerne versammeln. Ganz anders und ebenso eigenständig sind zwei Leuchten, die sich betont technisch geben: Am Stand von Midgard aus Hamburg fiel die Tisch- und Stehleuchte "Ray" auf, entworfen von Christian Loddo, Hugo Berger und David Einsiedler. Der Leuchtenarm besteht lediglich aus einem sich selbst tragenden Stahlband, das sich mit einem beweglichen Slider verstellen lässt. Am Ende des Bandes sitzt der Leuchtenkopf, formal auf das notwendige Minimum reduziert. Einiges an Entwicklungsarbeit steckt in dem ungewöhnlichen, komplett zerlegbaren Design – während die ebenso aufs Technische reduzierte Leuchte "Strange Little Thing" von Axel Schmid für Ingo Maurer wie eben mal schnell improvisiert aussieht. Eine Platine mit LED, Schalter und USB-C-Anschluss, die mit einer Drahtklemme am Zuleitungskabel befestigt wird, fertig. So einfach kann Licht sein.