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Ein Haus als Gebäck

Im portugiesischen Amarante hat das Fala Atelier ein Wohnhaus in eine farbenfrohe und texturlastige Collage verwandelt, dessen verbindendes Element ein Schornstein aus Beton ist.
von Alexander Russ | 20.09.2022

Lissabon mag die Hauptstadt von Portugal sein, aber aus architektonischer Sicht ist es das weiter im Norden gelegene Porto: Große Architekten wie Álvaro Siza Vieira oder Eduardo Souto de Moura haben hier ihre Büros und die von ihnen entworfenen Gebäude wie etwa das Museu de Arte Contemporânea de Serralves, das direkt am Atlantik gelegene Freibad Piscinas de Marés oder die Haltestellen der Metro de Porto prägen die Stadt am Fluss Douro. Aber auch Büros wie OMA konnten dort in Form der Casa da Música ihre Spuren hinterlassen. Hinzu kommt die Porto School of Architecture, ein Gebäudekomplex, der ebenfalls von Álvaro Siza Vieira entworfen wurde und an dem der architektonische Nachwuchs des Landes ausgebildet wird. Dass dieser bereits in den Startlöchern steht, zeigt das ebenfalls in Porto ansässige Fala Atelier, das 2013 von den beiden Portugiesen Filipe Magalhães und Ana Luisa Soares zusammen mit dem Schweizer Ahmed Balkhodja gegründet wurde. Das Büro hat mittlerweile einige Projekte umgesetzt, bei denen es sich vor allem um Wohngebäude und Sanierungen handelt.

Ein Beispiel dafür ist das sogenannte "house around a chimney", ein Wohnhaus in der nordwestlich von Porto gelegenen Kleinstadt Amarante. Dort hat das Fala Atelier einen Bestandsbau mit einer denkmalgeschützten Straßenfassade saniert und dabei eine Strategie verfolgt, die zwischen Respekt und Aneignung changiert: So verpassten die ArchitektInnen der hinteren Fassade eine Verjüngungskur und verwandelten sie mit Hilfe neuer Fenster sowie diverser Granit- und Marmorverkleidungen in eine farbenfrohe und texturlastige Collage. Das Büro bemüht bei der Erläuterung des architektonischen Konzepts das Backhandwerk und vergleicht die Straßenfassade mit einem Schichtkuchen, während die hintere Fassade eher einem "seltsam geformten Gebäckstück" gleicht.

Im Innern spielt dann ein neuer Schornstein aus Beton die zentrale Rolle: als raumdefinierendes Element, das alle Geschosse des 290 Quadratmeter umfassenden Hauses durchdringt, bündelt er die einzelnen Bereiche: So docken sowohl das Wohnzimmer als auch die Schlafzimmer mit ihren Wandscheiben direkt daran an, wobei der Schornstein im Wohnbereich auch als Kamin genutzt werden kann. Hinzu kommen diverse geometrische Spielereien wie Bäder in Dreiecksform, mit Kreissegmenten oder mit abgestuften Wänden. Das Ganze wirkt zusammen mit den mintfarbenen Böden und Decken in den Raum hinein und erzeugt so ein expressives Spiel. Die Erschließung zieht sich dabei als gewundene und sich überlagernde Treppenskulptur aus rosafarbenem Marmor durch das Gebäude. Neben dem Schornstein ist sie der zweite Protagonist, der die Struktur des Hauses prägt und so zu einer räumlichen Vielschichtigkeit beiträgt, mit der die architektonische Vergangenheit Portos in die Zukunft getragen wird.