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Entwurf der MultiCON Anlage zur Verarbeitung von Wüstensand

NACHHALTIGKEIT
Beton aus der Wüste

Das Unternehmen MultiCON hat ein Verfahren entwickelt, um Wüsten- und Feinsande für die Betonherstellung aufzubereiten. Das Endprodukt soll sowohl qualitativ als auch ökologisch überzeugen. Wie kann das funktionieren? Wir haben bei Dr. Leopold Halser, Geschäftsführer von MultiCON, nachgefragt.
29.12.2021

Anna Moldenhauer: Herr Dr. Halser, sie sind Architekt und waren viele Jahre in leitenden Stellungen bei Bauunternehmen und Konzernen der Baustoff- und Fertigteilindustrie tätig. Wie ist die Zusammenarbeit mit dem Chemiker Dr. Helmut Rosenlöcher für MultiCON entstanden, der seit vielen Jahren an der Herstellung optimierter Betone forscht?

Dr. Leopold Halser: Ich kenne Dr. Rosenlöcher und seine Forschung seit 15 Jahren. 2016 haben wir dann beschlossen, unsere Kompetenzen zu bündeln und das Unternehmen MultiCON gegründet. Neben seiner Aufgabe als technischer Direktor und Gesellschafter bei der MultiCON GmbH ist er zudem Geschäftsführender Gesellschafter der MCI, wo die Patente für unsere Forschungen eingebracht sind.

MultiCON möchte nachhaltig ökonomische und ökologische Betonlösungen anbieten. Wie kann Beton nachhaltig werden?

Dr. Leopold Halser: Wir können mit unserem Verfahren Betone herstellen, die langlebiger sind. Erreicht wird dies auch mit Hilfe einer Veränderung der Reihenfolge in der Mischung: Für Beton braucht man Sand, Kies, Zement und Wasser. Alles zusammen können Sie nicht in Hochgeschwindigkeit mixen, sondern müssen es langsam verrühren. Bei unserem Verfahren werden zuerst die weichen Substanzen zusammengeschüttet, sprich Wasser und Zement, die dann in hoher Geschwindigkeit verarbeitet werden. Erst dann geben wir die Sand- und Kieskomponenten dazu. Diese Vorgehensweise lässt den Beton dichter werden und ermöglicht es Zement einzusparen, den wir für das Volumen mit Kalksteinmehl ersetzen. Das Kalksteinmehl muss nicht wie bei der Zementherstellung gebrannt werden, was den CO2 Ausstoß des Betons senkt. Das ist nicht nur umweltverträglicher, sondern auch kostengünstiger. Zudem fließt der Beton durch das Kalksteinmehl besser, da es in der Mischung wenig Reibung mit den anderen Materialien erzeugt. Und das bedeutet wir brauchen weniger Wasser. Sprich: Ich bekomme einen besseren Beton, spare Geld und schone die Umwelt.

Für den Hochbau braucht es spezielle Parameter. Der Beton darf zum Beispiel nicht zu schnell trocknen, sich nicht ausdehnen und muss frostsicher sein. Wurden Ihre Betone auf diese Anforderungen getestet?

Dr. Leopold Halser: Unsere Betone bieten sogar bessere Eigenschaften als der konventionelle Beton hinsichtlich Gewicht, Langlebigkeit, Festigkeit und Frostbeständigkeit und kann problemlos im Hochbau eingesetzt werden. Das haben wir entsprechend der europäischen Norm 206 für "Beton nach vergleichbaren Eigenschaften" nachgewiesen.

Dr. Leopold Halser, Geschäftsführer von MultiCON
Granulat in Pelletieranlage
Feinsand und daraus gefertigte Pellets

Zum Verfahren der Aufbereitung von Wüstensand: Um diesen für die Betonherstellung nutzbar zu machen, werden die Körner fein aufgemahlen. Das so entstandene Pulver wird anschließend zu Pellets granuliert und kann dann weiterverarbeitet werden.

Dr. Leopold Halser: Genau. Das Verfahren funktioniert selbst mit europäischen Feinsanden, die bisher ebenfalls nicht für die Betonherstellung genutzt werden konnten. Aus dem Sandpulver können wir zudem auch Kies herstellen.

Auf der Fachmesse ICCX Middle in den Vereinigten Arabischen Emiraten hat Ihre Idee schon im Jahr 2018 großen Anklang gefunden – auch angesichts des wirtschaftlichen Potenzials und einer möglichen Eindämmung der illegalen Sandgewinnung. Wie ist der aktuelle Stand für die Marktreife?

Dr. Leopold Halser: Die Pandemie hat uns in der Planung um ein gutes Jahr zurückgeworfen. Was feststeht, sind die Kooperationsverträge mit saudischen und deutschen Unternehmen, um die erste Pilotanlage für die Aufbereitung von Wüstensand exklusiv aufzubauen. Wenn diese realisiert ist, sind wir in der Lage große Mengen Beton in kurzer Zeit herzustellen. Das Interesse an unserer Forschung ist nach wie vor groß – leider im Ausland mehr als in Deutschland. Zudem haben sich die deutschen Betonwerke bislang zu wenig mit der schwindenden Ressource Bausand beschäftigt. Da gibt es kaum Nachfrage nach neuen Ansätzen. Somit bieten wir zwar eine innovative Technologie aus Deutschland, müssen diese aber im Ausland aufbauen, um sie auch in Deutschland etablieren zu können. Das ist schon ein wenig verrückt.

Warum ist Ihrer Meinung nach Beton und nicht seine Alternativen das Baumaterial der Zukunft?

Dr. Leopold Halser: Die Nachfrage nach Beton steigt stetig, weil eine wachsende Bevölkerung auch eine Weiterentwicklung der Infrastruktur notwendig macht – und da ist Beton als Baumaterial im Grunde alternativlos. Natürlich gibt es auch Bauten aus Holz oder Ziegeln, aber diese decken aktuell nur geringe Anteile im Markt ab. Die Eigenschaften des Betons wie die Druckfestigkeit sind nicht zu toppen. Parallel zu unserer Materialforschung mit Wüsten- und Feinsanden haben wir auch einen Leichtbeton entwickelt, in dem die Stahlbewährung mit Polymerfasern ersetzt wird. Damit wird dieser leichter und langlebiger. Statt zu versuchen Beton zu vermeiden, sollten wir daran arbeiten ihn zu optimieren und neue Herstellungsverfahren zu entwickeln, um gefährdete Ressourcen wie den Bausand zu schützen.

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