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Der Stand des Labels "Made by Choice" auf der Stockholm Furniture & Light Fair 2020

Stockholm Furniture & Light Fair 2020
Innovative Traditionalisten

Stockholm Furniture Fair und Stockholm Design Week stellen auch im Jahr 2020 die hohen Standards in Skandinavien in Hinblick auf Handwerk und Design unter Beweis.
von Fabian Peters | 11.02.2020

Die Stockholm Furniture & Light Fair ist ein erfolgreiches Nischenprodukt. Größenmäßig kann sie sich nicht mit den Konkurrenzveranstaltungen in Mailand, Köln oder Paris messen: Die skandinavischen Hersteller bleiben hier weitgehend unter sich. Warum erfreut sich die Messe dennoch bei internationalen Besuchern so großer Beliebtheit? Natürlich – der Boom des skandinavischen Designs, der nach wie vor anhält, hilft der Stockholmer Messe erheblich. Doch man hat die gebotene Chance auch erfolgreich genutzt. Obwohl das Ausstellungsgelände mit seinen nur drei Hallen klein ist, ist die Messe dennoch nicht provinziell. Vielmehr ist die übersichtliche Größe ein Trumpf gegenüber den Mammutveranstaltungen Salone del Mobile und imm cologne.

Dieser Trumpf kann natürlich nur stechen, wenn die Qualität des Ausgestellten durchwegs hoch ist. Niemand würde die Reise in den Norden für nur eine Handvoll interessanter Aussteller antreten. Immer wieder präsentieren sich auf der Messe interessante neue Hersteller aus Skandinavien, die in den folgenden Jahren auch europa- oder weltweit für Furore sorgten. Vor zwei Jahren etwa stellten in Stockholm der Möbelhersteller Northern und das Leuchtenlabel "Nuura" erstmals aus. Letzteres ist inzwischen zu einem regelrechten Szeneliebling geworden. Dieses Mal feierte das junge Designhaus "Made by Choice" seine Premiere auf der Messe. Die Finnen, die vorletztes Jahr ihre erste Kollektion noch in einem winzigen Ladenlokal in der Stockholmer Altstadt gezeigt haben, sind rasant gewachsen. Auf ihrem Stand präsentierten sie eine ganze Reihe von bemerkenswerten Entwürfen – etwa den Stuhl "Goma" von Thomas Sandell. Er wirkt wie ein Thonet-Sessel, bei dem das Bugholz auf Armdicke angeschwollen ist. Die Möbel auf dem Stand sind in kräftige Farben getaucht, leuchtend grün, feuerrot, violett, gelb. Eigentlich ein Fanal im sonst so holzbraunlederfarbenen skandinavischen Einrichtungsuniversum. Eigentlich. Denn auch andere junge Marken aus Skandinavien wollen sich offenbar nicht darauf verlassen, dass das Midcentury-Revival ewig anhält und suchen den Anschluss an die europäische Avantgarde. So gibt es dieses Jahr in den Messehallen viele Farbtupfer zwischen dem immer noch dominierenden Naturholz.

Der neue "Rope Chair" von Ronan und Erwan Bouroullec für Artek
Der Stand von Møbel Copenhagen mit Stuhl "Font" und Tisch "Beam", beide von David Thulstrup
Der Leuchtenhersteller Wästberg präsentierte unter anderem neue Produkte von David Chipperfield und Ilse Crawford auf der Messe.

Das sind gute Nachrichten auch für die Stockholm Furniture Fair, deren internationaler Erfolg auf Gedeih und Verderb mit demjenigen der skandinavischen Möbelindustrie verknüpft ist. Auch die Messe selbst versucht mit innovativen Konzepten ihre Stellung abzusichern. Zum dritten Mal wurde die Konferenzhalle zu einer Mischung aus Restaurant, Lounge und Auditorium gestaltet – dieses Mal nach Entwürfen von Fredrik Paulsen, der ein neo-postmodernes Ambiente gestaltet hat, dass an die kunterbunten Architekturen von Charles Moore und Michael Graves erinnert. Das Foyer war dagegen wie in den vergangenen Jahren die Wirkungsstätte des Ehrengastes – 2020 waren dies Nipa Doshi und Jonathan Levien. Das Londoner Designerduo gestalteten einen beeindruckend schönen Pavillon aus Sperrholz, in dessen gewölbten Innenräumen sie ihr bisheriges Schaffen ausbreiteten.

Ein weiterer Erfolgsfaktor der Messe ist die parallel stattfindende Stockholm Design Week, die zahlreiche Orte in der Innenstadt bespielt. Dieses Jahr etwa zeigten fünf skandinavische und japanische Marken ihre Produkte in den prachtvollen historistischen Räumen des ehemaligen schwedischen Staatsarchivs. Darunter waren der traditionsreiche dänische Leuchtenhersteller Le Klint ebenso, wie der Möbelproduzent Ariake und das Keramiklabel 2016/ aus dem Porzellanort Arita. Für die minimalistisch gestalteten Objekte bildeten die gusseisernen Träger und Öfen, das dunkle Holz und die floralen Ornamente des alten Bauwerks einen reizvollen Kontrast. Im Auktionshaus Bukowskis hatte das Designstudio Note die Ausstellung "Adjectives" gestaltet, für die es Kunstobjekte aus den Auktionen mit textilen Rauminstallationen aus Stoff von Kvadrat und Leuchten von Vibia zusammenbrachte. "Imperfections" hatten Iittala, Ronan und Erwan Bouroullec ihre Ausstellung in der Galerie Wetterling getauft. Die beiden Designer haben für die finnische Glasmanufaktur eine Serie von Vasen und stilisierten Glasblumen in zarten Farben entworfen, die auf Podesten sanft hinterleuchtet den Ausstellungsraum umstanden. Für Menu und den Betterhersteller Dux hatten Norm Architects die Wohnung eines fiktiven Bildhauers eingerichtet und mit Einrichtungsgegenständen und zahlreichen Kunstwerken kleinere und größere Stillleben gestaltet.

Leuchten von Le Klint im Treppenhaus des Alten Staatsarchivs in Stockholm
"The Sculptor's Residence" richteten Norm Architects für die Marken Menu und Dux ein.
Note Design Studio schufen mit "Adjectives" eine der schönsten Beiträge zur Stockholm Design Week, hier unter Zuhilfenahme von Kvadrat-Stoff und Mutina-Fliesen.

Etwas versteckt als Gast im Showroom von Montana zeigte der Polstermöbelhersteller Erik Jørgensen den ersten Prototyp eines Sofasystems nach Entwurf des Architektur- und Designstudios Snøhetta. "Casework" besitzt einen kubischen Holzrahmen und Lehnen die mit kleinen Ablageflächen abschließen. Das wirkt sehr solide und sehr skandinavisch – verglichen mit Snøhettas Architekturentwürfen allerdings auch ziemlich brav. Wer das Spektakel sucht ist allerdings eh anderenorts als in Stockholm besser aufgehoben. Die Stockholm Design Week und die Stockholm Furniture Fair verlassen sich auf die Stärken der heimischen Möbelindustrie – Qualität. Beständigkeit, Nachhaltigkeit. Aus diesen Wurzeln zieht man im Norden die Kraft für eine überraschende Innovationsfähigkeit, die auch dieses Jahr auf beiden Veranstaltungen wieder zu besichtigen war.

Kunst und Design aus den Auktionen des Stockholmer Auktionshauses Bukowskis bildeten das Zentrum der Rauminstallationen von "Adjectives".
Note setzte bei "Adjectives" auch antike Möbel raffiniert in Szene.