JUNGE TALENTE
Sonnenstrahlen fürs Stadtbild
Was passiert, wenn Design die Gestaltung eines Alltagsgegenstands nicht durch unkonventionelle Ästhetik entrückt, sondern für eine ganze Gesellschaft greifbarer macht – und im besten Fall sogar begreifbar? Andreas Lang und Tobias Trübenbacher haben sich diese Frage schon oft gestellt. Und probieren sich bereits im kommenden Jahr mit ihrem Lichtkonzept "Main Light" an einer Antwort, die innerhalb des Programms des "World Design Capital (WDC) Frankfurt RheinMain" von 6. Mai bis 30. Oktober 2026 präsentiert werden soll.
"Main Light" im doppelten Wortsinn
Im Fokus des so treffend betitelten Projekts der Münchner Nachwuchsdesigner steht gleichermaßen ein Radweg, der dem Flussverlauf des Mains vom Frankfurter Stadtzentrum bis nach Offenbach folgt, wie auch dessen Beleuchtung – die zu großen Teilen gar nicht existiert. Was wiederum vor knapp einem Jahr die Idee einer nachhaltigen Lösung von Lang und Trübenbacher auf den Plan gerufen hatte, um damit sowohl die Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit entlang des Radwegs zu erhöhen, als auch das Stadtbild zu bereichern. Natürlich ganz im Sinne der Umwelt: Weil konventionelle Straßenbeleuchtung selbst unter Inbezugnahme von langlebigen LEDs starke ökologische Schäden durch Lichtverschmutzung verursacht und einen hohen Energiebedarf fordert, war beiden Gestaltern sofort klar, dass ihr Projekt "Main Light" eine klimaneutrale Herangehensweise braucht. Eine, die regenerative Energie im öffentlichen Raum nicht nur nutzt, sondern auch wörtlich sichtbar macht – mit bunten Solarfolien, die das Sonnenlicht tagsüber auffangen und daraus die nötige Energie erzeugen, um nach Anbruch der Dunkelheit die über Akku gespeisten Straßenleuchten zu betreiben.
Autark soll dabei nicht nur der Stromkreislauf sein, der ohne aufwändige Vorinstallationen wie Stromleitungen oder ein gegossenes Fundament auskommt und damit möglichst niedrigschwellig an die Umsetzung im öffentlichen Raum appelliert. Sondern auch die Lichtsteuerung selbst: Die läuft sensorbetrieben wie bedarfsabhängig und wird nur aktiviert, wenn sich tatsächlich auch jemand entlang des Radwegs nähert. Mithilfe von Infrarottechnik kann "Main Light" sogar zwischen kleineren Tieren und Menschen unterscheiden, um die Lichtverschmutzung so gering wie möglich zu halten. Die ist, das machen Andreas Lang und Tobias Trübenbacher im Gespräch deutlich, den beiden Gestaltern besonders wichtig. Lang bringt es unbeabsichtigt mit einem Wortwitz auf den Punkt: "Die heutige Stadtbeleuchtung hat ziemlich viele Schattenseiten."
Durch die Intensität und Anzahl an Lichtquellen im öffentlichen Stadtbild gerät demnach der Tag-Nacht-Rhythmus von Menschen, Pflanzen und Tieren durcheinander; das belegen auch zahlreiche Studien. Schuld daran sind unter anderem hohe Blauanteile im kaltweißen, konzentrierten Licht, die insbesondere nachtaktive Tiere und Insekten beeinträchtigen. In einer einzigen Sommernacht, sagt Lang, könnten dadurch auf Deutschlands Straßen laut aktueller Hochrechnungen rund 1,2 Milliarden Insekten getötet werden. Weshalb die Solarleuchte "Main Light", die das Designerduo gemeinsam mit seinen Projektpartnern Asca und ewo entwickelt hat, im ungenutzten Zustand nachts wahlweise ganz ausgeht – oder auf lediglich 10 Prozent Helligkeit gedimmt wird. Tagsüber wiederum spenden die Solarfolien zumindest teilweise Schatten. Das lädt gemeinsam mit zusätzlich installierten Sitzbänken ein, diese als "Dritte Orte" in der Öffentlichkeit zu nutzen: ohne Konsumzwang, aber mit Raum für Austausch und Begegnung.
Wandel braucht Optimismus
Es ist ein gestalterischer Ansatz, der gleich mehrere Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenlebens mitdenkt – und daher ideal zum Programm des World Design Capital Frankfurt RheinMain 2026 passt, das sich der demokratischen Teilhabe an Designprozessen verschrieben hat und sie zum Motor von Stadtentwicklung, sozialem Miteinander und wirtschaftlichem Wandel erhebt. Die eigentliche Arbeit von Andreas Lang und Tobias Trübenbacher ist dadurch nicht mit der Konstruktion und Errichtung der verschiedenen Solarpaneele von "Main Light" getan. Vielmehr soll die Installation vor allem in den Sommermonaten von zahlreichen Workshops und Vorträgen vor Ort begleitet werden. Lang und Trübenbacher wollen neben anderen Designschaffenden auch Verantwortliche aus der Kommunalverwaltung sowie AnwohnerInnen einladen und die Auseinandersetzung mit nachhaltiger Stadtgestaltung durch Infotafeln und Plakate fördern. "Die Technologie, die für eine Energiewende nötig wäre, ist schon heute vorhanden", sagt Trübenbacher bestimmt. "Was fehlt, ist der Wille in der Gesellschaft, sie auch einzusetzen – und der Optimismus, dass man damit etwas erreichen kann."
Etwas Zuversicht benötigen allerdings auch die beiden Jungdesigner in der Umsetzung ihres Projekts. Zwar ist allein die Aufnahme ins Rahmenprogramm des WDC Frankfurt RheinMain ein Erfolg, aber bürokratische Hürden sind damit nicht schneller aus dem Weg geräumt. Konkret geht es um einen Streckenabschnitt entlang des knapp sechs Kilometer langen Radwegs zwischen der Frankfurter Flößerbrücke und dem Offenbacher Marktplatz, der durch eine Naturschutzzone verläuft. Obschon Lang und Trübenbacher mit ihrem Projekt aufwändige Vorkehrungen getroffen haben und sich mit "Main Light" bewusst für eine ressourcen- und umweltschonende Straßenbeleuchtung einsetzen, haben die örtlichen Behörden ihnen im geschützten Gebiet einen Strich durch die Rechnung gemacht. "Wir haben wirklich viele Runden gedreht und hatten sicherlich mit 15 verschiedenen Dezernaten und Ämtern zu tun", sagt Andreas Lang. "Aber beim Thema Licht haben alle Länder in der EU ihre ganz eigenen Regeln – und auch die Kommunen selbst."
Als Ausweichlösung nutzen Lang und Trübenbacher nun eine 50 mal 50 Meter große Freifläche entlang der Weseler Werft am gegenüberliegenden Main-Ufer, die als "Testgarten" für das Beleuchtungskonzept herhalten und als Basis für die weitere Projektentwicklung dienen soll. Genau das sei aber eben auch ein Bestandteil im Berufsbild Designer für ihn, sagt Lang. Der Job sei nun mal ein demokratischer Weg mit verschiedenen Meinungen – und entsprechend vielen Iterationsstufen.
Ein Licht aufgehen lassen
Die Münchner Jungdesigner – beide sind noch keine 30 Jahre alt – kennen das schon aus vorherigen Projekten. Auch da hat das Duo mit einer Idee buchstäblich Wirbel gemacht: "Papilio" verfolgt die sehr ähnliche Idee einer nachhaltigen Straßenbeleuchtung mit einem insektenfreundlichen Lichtspektrum. Nur, dass der Strom hierbei aus Windkraft statt aus Solarenergie gewonnen wird. Trübenbacher hat das Konzept für seine Bachelorarbeit entwickelt; mittlerweile arbeitet er gemeinsam mit Lang daran, es in einer dänischen Kleinstadt in die Realität zu übersetzen. Weltweit hätten Städte ihr Interesse daran bekundet, und selbst mit Guam, einer winzigen Insel im Westpazifik, stünden die beiden Designer in Kontakt. Nur in Deutschland sei es nach wie vor schwierig, dem Wunsch nach einem Wandel mit klimagerechten Designlösungen nachzukommen. "Unsere Arbeit ist eben kein Sprint, sondern ein Dauerlauf", sagt Tobias Trübenbacher. Was sich im Falle von "Main Light" selbst auf einen Radweg übertragen lässt. Bleibt zu hoffen, dass die Sichtbarkeit von nachhaltiger Stadtgestaltung im Zuge der WDC 2026 in Frankfurt RheinMain ein Umdenken im öffentlichen Diskurs anstößt – und dem ein oder anderen am Ende doch ein Licht aufgeht.






