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Bitte berühren Sie das Kunstwerk!

Noch bis zum 29. Juni 2018 zeigt der Designer Paul Kelley "The Dignity of Labour" in der Eingangshalle des Taunusturms in Frankfurt am Main. Die Interaktion mit dem Betrachter ist für ihn ein Kernelement. Warum das so ist, hat er Anna Moldenhauer erzählt.
10.04.2018

Anna Moldenhauer: Die Installation im Taunusturm ist eine Kombination aus den Arbeiten, die Sie für die Architekturbiennale 2016 im Pallazo Michiel und die Kunstbiennale 2017 im Palazzo Bembo in Venedig gezeigt haben. Welche Elemente haben Sie übernommen?

Paul Kelley: Im Grunde ist es ein Zusammenschluss beider Ausstellungen, die durch das Element der Interaktion miteinander verbunden werden. Das die Leute mit den Würfeln kreativ werden können, wurde fantastisch angenommen und diese Möglichkeit möchte ich in dieser Ausstellung auch geben.

Warum ist die Interaktion mit dem Besucher ein wichtiges Element für Sie?

Paul Kelley: Weil ich ein Möbelhersteller bin. Ich mag Dinge, mit denen man interagieren kann. Wir fertigen alles von Hand, dieses haptische in meiner Arbeit will ich auch in der Kunst nicht verlieren. Zudem führen mich Skulpturen und die Malerei zu vielen meiner Designs, ich beziehe mich in meiner Arbeit oft auf die Kunst.

Meinen Sie das Konzept der Interaktion in der Eingangshalle des Taunusturms von den Besuchern aufgenommen wird?

Paul Kelley: Ich weiß es nicht. Das Personal am Empfang ist darüber informiert, dass man einige Skulpturen bewegen darf. Aber meistens reicht es, wenn einer anfängt mit den Würfeln etwas zu kreieren. Dann wird es für Andere schnell interessant. Und wir haben extra deutschsprachige Schilder angebracht, die die Besucher dazu einladen, einige der Würfel zu bewegen. Wir werden sehen, wie es läuft.

Die Installation verbindet eine Vielzahl an Materialien, darunter Kupfer, Blei, Beton und Holz. Was fasziniert Sie an diesem Mix?

Paul Kelley: Ich habe immer Materialien gemischt, auch bei meinen Möbelentwürfen. Ich fordere mich gerne heraus und finde in vielen Dingen Inspiration. Ich wäre wahrscheinlich erfolgreicher, wenn ich an der gleichen alten Sache festhalten würde, aber ich liebe es zu experimentieren. Manchmal entstehen Dinge auch durch Zufälle: etwa als mir die Fotografin Ursula Maier nachdem sie meine Ausstellung auf Schloss Untergröningen fotografiert hatte, ein Buch mit abstrakten Bildern von Venedig schickte. All diese Farben darin, das hat mir wirklich geholfen, das wollte ich einfangen. Die Würfel spiegeln die Farben von Venedig, von Gebäudeteilen, den Gondeln. Und die exotischen Hölzer stellen die Materialien dar, die ihren Weg in die Stadt gefunden haben. Wir haben versucht alle Materialien und die Handwerkskunst, die man in Venedig sieht in die Würfel zu integrieren. Ich bin nicht der erste Künstler, der Würfel fertigt und ich werde nicht die letzte Person sein. Aber es gibt so viel, was man mit einem Objekt machen kann, nur indem man die Materialien wechselt. Und das ist das was ich tun will.

Hat die Basisanordnung der Würfel für Sie eine Bedeutung oder ist sie eher zufällig?

Paul Kelley: Eher zufällig, wir haben sie gestapelt in der Werkstatt aufgestellt. Bei den farbigen Würfeln sieht die Einrahmung durch die Würfel außen auch sehr stark aus. Auch wenn es kein echter Marmor ist, es sind HPL-Platten, High Pressure Laminate. Jemand hat mich heute Morgen gefragt: Warum hast du keinen echten Marmor benutzt?

Vermutlich, weil echter Marmor ein sehr hohes Gewicht hätte?

Paul Kelley: Ja, aber es ist auch ein kleiner Witz in Bezug auf Italien, dass es alles sehr, sehr glänzend aussieht, aber darunter ist es nicht so toll. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, dieses Material zu verwenden.

Warum sind die Würfel magnetisch?

Paul Kelley: Die Entwicklung wurde durch einen Auftrag angestoßen. Ich habe vor einiger Zeit für eine Kundin fünf Würfel hergestellt und sie wollte einen Tisch damit bauen im Stil von Carl Andre (US-amerikanischer Bildhauer des Minimalismus, Anm. der Redaktion), den wir beiden mögen. Aber sie konnte sich nicht zwischen einem kleinen und einem großen Tisch entscheiden. Ich begann zu überlegen, was ich tun kann, um es modular zu fertigen. So fingen wir an, mit Magneten zu experimentieren und wir haben einen Weg ausgearbeitet, wo der Plus- und Minuspol keine Rolle spielt und die Würfel immer zusammenhängen, egal wie man die Dinge baut, so dass man völlige Freiheit hat. Und das Konstrukt ist stabil, weil die Würfel stets zusammenhängen. Ich habe jetzt tausende der Würfel verkauft, aber jeder verwendet sie spielerisch auf unterschiedliche Art und Weise. Und das ist Teil der Idee.

Was fasziniert Sie an der Form des Würfels?

Paul Kelley: Könnte sein, das ich zu viel Zeit in Deutschland verbracht habe. (lacht)

Was meinen Sie damit?

Paul Kelley: Alles in Deutschland ist sehr quadratisch, sehr organisiert. Ich mag deutsches Design. Ich mag elektronische Musik von deutschen Künstlern. Ich wurde von einem Deutschen unterrichtet. Ich war Gitarrenbauer und bin Ende der 90er Jahre nach Chicago gegangen. Das hat meine Lebenseinstellung verändert. Über Bekannte habe ich Freunde von dem Architekten und Künstler Donald Judd kennengelernt und wurde Mitglied der Judd Foundation. In dieser Zeit hat sich meine Arbeit mit geometrischen Mustern entwickelt. Die Würfel sind einfach gute Größe, bei der Kupfervariante sind das 20 x 20 x 20 Zentimeter. Man kann mit ihnen sehr flexibel arbeiten, ein Möbelstück aus Ihnen bauen oder eine Treppe. Und wenn man das Kupfer schneidet, gibt es dank der klaren Form keinen Abfall. Auch das ist ein Punkt der mich bei der Würfelform gehalten hat.

Ist das Wissen über das Material für Sie entscheidend, wenn es an die Umsetzung einer Idee geht?

Paul Kelley: Ja. Alles andere führt nur zu Frustration und Verschwendung. Mich deprimiert es, wenn ich Designer sehe, die nichts über Materialien wissen. Für eine achtsame Produktion muss man bereits beim Entwurf die Eigenschaften des Materials kennen. Auch um eine Kostenexplosion zu vermeiden. Mir war das immer bewusst, da ich alles, was ich herstelle, mit den Händen fertige. Ich arbeite wenig am Computer, ich zeichne und baue Modelle. Auch das macht einen Unterschied, man bekommt schnell ein Gefühl für das Resultat.

Fokussieren Sie sich aktuell auf Kunst oder Design? Oder geht beides Hand in Hand?

Paul Kelley: Ich bin ein Möbelbauer und mache Installationen. Wenn die Besucher das als Kunstwerk empfinden, ist es großartig. Wenn sie eher den funktionalen Aspekt sehen, ist das auch in Ordnung für mich. Ich möchte mich da nicht in festlegen lassen. Die Betrachter sollen selbst entscheiden was meine Arbeit für sie ist. Ich arbeite mal überwiegend mit Metallen und Kunststoffen, dann wieder vorzugsweise mit Holz, denn dort liegen meine Wurzeln. Ich mag meine Installationen, aber nach einer Weile denke ich "Oh Gott, ich will wieder ein Möbelstück machen". Und dann liegt mein Fokus wieder darauf.

Ich verstehe, Sie brauchen beides.

Paul Kelley: Ja. Und ich denke, es ist gut so. Ich brauche die Abwechslung, das Schwanken.

Ist es für Sie von Belang, dass Sie bei Kreation eines Kunstwerks freier sind, weil es keine Funktion haben muss?

Paul Kelley: Ich denke, dass ich auf der Möbelseite genauso kreativ bin. Es sind die Materialien, die den Unterschied machen. Ich bin ziemlich frei, weil ich nur Sachen mache, die ich selbst entwerfe.

Paul Kelley
"The Dignity of Labour"
Bis 29. Juni 2018

TaunusTurm
Taunustor1
60310 Frankfurt am Main