top
Im Gespräch mit Uta Abendroth: Zur imm cologne 2019 stellte Philippe Nigro gemeinsam mit Ligne Roset die Möbelkollektion "Phileas" vor.

IMM COLOGNE 2019
"Ich möchte nicht trendy sein"

Philippe Nigro hat jüngst die Polstermöbelkollektion "Phileas" für Ligne Roset entworfen, die auf der imm cologne 2019 vorgestellt wurde. Uta Abendroth hat ihn interviewt.
29.01.2019

Philippe Nigro stellt stets die Funktionalität in den Mittelpunkt seines Designs. Dennoch versteht es der Franzose, seinen Entwürfen einen Twist zu geben. Manchmal raffiniert, dann und wann fast ein bisschen verspielt, immer elegant. Gebürtig aus Nizza, geschult an der Ecole Boulle in Paris, erhielt der 44-Jährige seinen Feinschliff bei Michele Lucchi. In dessen Atelier in Mailand wollte Nigro nach seinem Abschluss ein drei- bis sechsmonatiges Praktikum absolvieren – daraus wurden zwölf Jahre. Internationales Aufsehen erlangte der Designer 2009 mit dem Sofa "Confluences", dem Auftakt für die Zusammenarbeit mit Ligne Roset. In Köln stellte er nun seinen jüngsten Entwurf für das französische Label vor, die Kollektion "Phileas", zu der Sofas, ein Sessel und ein Hocker gehören.

Uta Abendroth: Sie haben in den letzten zehn Jahren einige Sofas und Möbel für Ligne Roset entworfen. Ihre jüngste Polstermöbelkollektion "Phileas" sieht ganz anders aus als alle bisherigen. Wie kam es dazu?

Philippe Nigro: Vor zehn Jahren haben wir mit "Confluences" die Zusammenarbeit aufgenommen, seitdem sind vier oder fünf Sofas, ein paar Möbel und ein Bett dazugekommen. Ich bin immer wieder im Gespräch mit Michel Roset, wir tauschen Ideen aus und Komfort ist dabei das Thema. Kein Wunder: Mit dem Schaumstoff-Knowhow der Firma ist das der Fokus. Natürlich kann es nicht darum gehen, ständig ähnliche Sachen zu machen. Im Gegenteil: Für mich ist es viel spannender, wenn die Entwürfe immer wieder anders sind. Zu den Aufgaben eines Designers gehört es, ein Unternehmen zu verstehen, sich anzupassen und dann Objekte vorzuschlagen, die es gerade braucht. "Phileas" ist sehr klassisch, ein bisschen retro, aber mit dem Spirit von Ligne Roset im Hinblick auf Ergonomie und Komfort. Die Sofas und der Sessel vermitteln ein Feeling à la Orient Express oder Gentlemen’s Club.

Wie entsteht ein Projekt wie "Phileas", war das Ihre Idee oder eine Auftragsarbeit?

Philippe Nigro: In den meisten Fällen mache ich eher spontane Vorschläge, Michel und ich setzen uns mit meinen Zeichnungen und Bildern zusammen. Dabei gehen wir dann immer mehr ins Detail, zum Beispiel über die Höhe der Rückenlehne, die bequem den Kopf und den Rücken stützen soll. Diese Diskussionen sind immer sehr aufschlussreich. Die ersten Skizzen zu "Phileas" habe ich Michel vor ungefähr drei Jahren gezeigt, aber natürlich kann die Entwicklung eines Entwurfs auch mal schneller sein.

Der Retro-Look ist ja derzeit ein großes Thema. Muss man als Designer solche Trends mitmachen?

Philippe Nigro: Als Designer ist es immer schwer über Trends zu reden. Angefangen habe ich mit "Phileas" vor drei Jahren, da nahm der Retro-Look gerade Fahrt auf, bzw. er war noch nicht so omnipräsent wie jetzt. Ich weiß nicht recht, ob es schade ist oder eine gute Sache, dass "Phileas" wirkt wie für diesen Augenblick gemacht. Aber ehrlich gesagt, mich interessieren Trends nicht besonders und ich will auch nicht trendy sein, sondern neue Dinge kreieren. Für mich selbst ist "Phileas" deshalb überraschend, weil die Kollektion anders ist als das, was Ligne Roset normalerweise mit den niedrigen Seventies-Sofas umsetzt. Mein Entwurf ist viel höher konzipiert und spricht auch ältere Menschen an. Dazu harmonieren von den sehr niedrigen Modellen bis zu meinem Entwurf alle Teile miteinander, die Kollektion ist perfekt abgestimmt.

Sie wollten also ein komfortables, hohes Sofa entwerfen, weil die Menschen immer älter werden? War das der Ausgangspunkt?

Philippe Nigro: Naja, sowas hat man schon im Hinterkopf. Tatsächlich hat mir die Segmentierung dabei geholfen, die Form und die verschiedenen Größen zu definieren, weil die vertikalen Linien der Polsterung immer den gleichen Abstand haben. Wenn man von oben guckt, erkennt man das umso besser. Ich wollte von einer Art Regel ausgehen, um die Proportionen festzulegen und damit sowohl den Sessel, als auch das Sofa klar zu umreißen. In der Vergangenheit haben wir bei Projekten meistens mit dem Sofa angefangen. Wenn wir dann zur Gestaltung des Sessels kamen, war er zu groß oder zu breit, um dasselbe Konzept beizubehalten. Es ist nicht so einfach, die Dimensionen anzupassen oder zu übertragen. Bei "Phileas" habe ich mit dem Sessel angefangen, dem kleinsten Stück der Kollektion. Anschließend kamen die Sofas dran, da war die Segmentierung sehr hilfreich.

Feeling à la Orient Express: Zur Kollektion "Phileas" gehören Sofas, ein Sessel und ein Hocker.

Gab es weitere Herausforderungen?

Philippe Nigro: Man muss sich über verschiedene Bezüge aus Stoff oder Leder Gedanken machen, die auch noch in unterschiedlichen Farben zum Einsatz kommen. "Phileas" gibt es mit Metallfüßen und Füßen aus Walnussholz. Als Designer muss man sich alle diese Kombinationen vorstellen können, damit beim fertigen Produkt alles passt.

Legen Sie auch die Farben fest?

Philippe Nigro: Nein, die Entscheidungen über Farben und Materialien überlasse ich stets Ligne Roset. Vor allem die Farbe ist eine sehr persönliche Wahl, das möchte ich nicht einschränken. Da sollte der Kunde möglichst freie Hand haben.

Im Laufe Ihrer Karriere haben Sie mit vielen Firmen zusammengearbeitet. Welche waren besonders wichtig für Sie?

Philippe Nigro: Ligne Roset ist sicherlich eines der Unternehmen, mit denen ich am engsten verbunden bin. Das Sofa "Confluences" war das erste Produkt, das 2009 die Aufmerksamkeit der Designwelt auf sich zog und mit dem meine Karriere so richtig begann. Andere Firmen, denen ich mich verbunden fühle, sind De Padova, Zanotta, Venini, Foscarini, Hermès und Baccarat.

Wer hat Sie sonst noch geprägt?

Philippe Nigro: Ganz klar: Michele de Lucchi. Er wird immer wichtig für mich sein, denn bei ihm habe ich meine ersten Erfahrungen als Designer nach dem Studium gesammelt. Ich wollte damals unbedingt nach Mailand und den "Italian Way of Thinking" im Design verstehen. Das Praktikum bei Michele ist dann in eine Zusammenarbeit übergegangen, die zwölf Jahre gedauert hat. Er war damals noch bei Olivetti und so habe ich mit ihm an Computern und Druckern gearbeitet, an Projekten aus den Bereichen Architektur, Möbel-, Interior-, Ausstellungs- und Grafikdesign. Michele ist ein wunderbarer Mensch, sanftmütig und interessiert, aufgeschlossen, ein wahrer Maestro. Ich habe sehr gerne mit ihm zusammengearbeitet. Auch die Arbeit für Hermès war für mich sehr wichtig. Für einen Designer ist es natürlich ein Traum, für ein solches Unternehmen zu arbeiten, mit diesen tollen Materialien und Handwerkern. Ich habe allerdings einen ganz schönen Druck gespürt, immerhin ging es um Hermès. Aber auch hier war das Verhältnis und der Austausch gut und anregend. Eine sehr angenehme Zusammenarbeit.

Für seine Entwürfe lässt sich Philippe Nigro unter anderem von der Mode inspirieren: Wie etwa für die kleinen Ziernähte bei "Phileas".

Was nehmen Sie mit aus diesen Kooperationen?

Philippe Nigro: Das ist schwierig zu sagen, weil man das nicht immer eins zu eins übertragen kann. Ich würde sagen, es geht um einen Mix aus Erfahrungen, der sich für mich im Umgang mit Proportionen, Komfort und beispielsweise der Auswahl von Stoffen niederschlägt. Außerdem lernt man mit der Zeit, dass unser Job mit der Industrie zu tun hat und dass man realistisch über Preise nachdenken muss.

Was inspiriert Sie?

Philippe Nigro: Reisen in andere Länder sind für mich sehr inspirierend und da sticht Japan heraus. Die Kultur, das Essen, die Mode, das Design, einfach alles ist so anders und anregend. Einer der tollsten Orte ist Naoshima Island mit seinen Museen, der Architektur und den Skulpturen. Ich besuche viele Ausstellungen, vor allem über zeitgenössische Kunst und Architektur. Vor kurzem war ich in Paris in einer Schau über Ikebana, der japanischen Kunst des Blumenarrangierens. Und vor ein paar Monaten habe ich mir eine Ausstellung über den belgischen Modedesigner Martin Margiela angeschaut. Es sind winzige Details, die aus der Mode ihren Weg in meine Arbeit finden, wie etwa die kleinen Ziernähte bei "Phileas".

Mit einer angenehmen Sitzhöhe und Füßen aus Metall oder Walnussholz überzeugt "Phileas" bis in die Details.