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Paravents von Jonathan Olivares für Kvadrat x Really

SALONE DEL MOBILE 2018
Von Köper und Kelims

Mit "Twill Weave" spannt Jonathan Olivares zusammen mit Kvadrat einen komplexen Bogen von der Vergangenheit zur Gegenwart, von Architektur zu Stoff. Weniger das Narrativ als das textile Empfinden betont hingegen Katrin Greiling in ihrer Installation für Kinnasand.
von Martina Metzner | 09.05.2018

Kvadrat und Jonathan Olivares sind zwei, die zusammenpassen – denn beide überschreiten regelmäßig die Grenzen ihres angestammten Tätigkeitsfeldes. Die Kooperation des dänischen Textilverlages mit dem aus Boston stammenden Designer begann 2012 – damals war das Nachwuchstalent Part der Ausstellung zu Ehren des Stoffes Hallingdal. 2015 fand man erneut für ein ganz besonderes Projekt zusammen: Olivares wurde von der Harvard School of Design gebeten, ein Möbelstück für das Thesis House von Philip Johnson in Cambridge, Massachusetts zu gestalten, das der Architekt 1942 für sich selbst entworfen hatte und das sich heute im Besitz der Universität befindet. Jonathan Olivares schuf ein Daybed, für dessen eigens entwickelten Bezugsstoff er eng mit Kvadrat zusammenarbeitete. Auf dem Salone del Mobile stellte Kvadrat nun die Stoffserie "Twill Weave" vor, die aus dem Olivares-Johnson-Projekt hervorgegangen ist.

Jonathan Olivares ist ein Ausnahmetalent – ihn als Designer zu beschreiben, reicht bei weitem nicht aus. Am Pratt Institute in New York ausgebildet, ging er anschließend für ein Jahr zu Konstantin Grcic – jenem Designer, dessen Herangehensweise an Projekte ähnlich tiefgründig, komplex und intellektuell ist. Beide sind sich bis heute freundschaftlich und kollegial verbunden. Der 37-jährige lebt in Los Angeles, arbeitet für Kunden wie Knoll, Vitra und Nike. Zu seinen bekannteren Arbeiten gehört der "Aluminium Chair" für Knoll (2012) sowie die Gestaltung des Vitra Work Office in Weil am Rhein. Seine futuristische Installation "Outdoor Office" für das Art Insitute of Chicago sorgte weltweit für Aufsehen in der Branche. Arbeitswelten sind Olivares Steckenpferd – und so entwickelt er zusammen mit einem Netzwerk an kreativen Büroabteilungen von großen Firmen in den gesamten Vereinigten Staaten von Amerika.

Das Daybed von Jonathan Olivares in Philip Johnsons Theses House in Cambridge/Mass.
Jonathan Olivares

Bei seiner Arbeit für Johnsons Theses House ging Olivares von der Baustruktur und originalen Innenausstattung des Baus aus. Philip Johnson baute den einstöckigen Pavillon im Zuge seines Universitätsabschlusses als Architekt. Dieses Studium hatte er unter dem Eindruck der Arbeiten von Walter Gropius und insbesondere Ludwig Mies van der Rohes aufgenommen, die er in Deutschland kennengelernt hatte. So verwundert es nicht, dass sich unter den wichtigsten Einrichtungsgegenständen, die er dort aufstellte, auch das Daybed befand, das Mies für den Deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Barcelona entworfen hatte. Anders aber als Mies van der Rohe, der mit Stahl und Beton baute, war Johnson aufgrund der Kriegswirtschaft gezwungen, die tragende Struktur seines Hauses aus Holzpfeilern zu konstruieren, die lokale Mastbauer herstellten. Olivares ließ sich von diesen Masten für sein Daybed inspirieren, griff aber zu dem Material, das heutzutage für Segelbootmasten verwendet wird: Karbonfasern. Eine kluge und feinsinnige Art, den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart zu spannen.

Für die passende Auflage fragte Olivares bei Kvadrat an – so entstand die neue Kollektion "Twill Weave", ein Gewebe in klassischer Köperbindung, dessen diagonale Textur ebenso in der Konstruktion des Daybeds vorkommt. Die Farben der Kollektion erarbeitete er zusammen mit dem Straus Center for Conservation and Technical Studies des Harvard Art Museums, einer weltweit geachteten Forschungsinstanz für Pigmente in der Kunstgeschichte. So stehen Mineralien wie Alabaster, Azurit oder Malachit Pate für die Farben von "Twill Weave" – insgesamt 19 Farbstellungen, die wohl einzigartig in ihrer Entstehung sein dürften. Nicht umsonst heißt sein Büro JODR – Jonathan Olivares Design Research.

Sein Daybed entwarf Olivares als filigrane Karbonfaser-Konstruktion.
Der von Kvadrat gefertigte Bezugsstoff greift die Karbonstruktur auf.

Ein weiteres textiles Projekt von Olivares, das mit Really, einem Kvadrat-Partnerunternehmen entstand, war ebenfalls in Mailand zu begutachten. Ein Paravent, der in Form und Aufbau Bezug nimmt auf das besondere Material, aus dem er hergestellt ist – nämlich aus Paneelen von wiederaufbereiteten Textilabfällen. Dass multifunktionale Einrichtungsstück soll nicht nur nur Konzept und Designstudie bleiben. 1000 Exemplare hat bereits ein Technologieunternehmen in Los Angeles geordert. Den Namen des Kunden werden wir aber wohl erst im kommenden Jahr erfahren...

Ganz andere Grenzen lotet Katrin Greiling mit ihrer Installation "Structures" im Showroom von Kinnasand aus. Seit vergangenem Jahr macht auch die Marke, die seit 2012 zu Kvadrat gehört, mit besonderen Installationen auf sich aufmerksam. Isa Glink, Kreativdirektorin von Kinnasand, erklärt dazu: "Mit Kinnasand LAB haben wir einen belebenden Dialog mit Kreativen weltweit ins Leben gerufen. Zusammen suchen wir neue Wege, wie Textilien wahrgenommen werden können, was wiederum zu sehr sinnlichen spannenden und attraktiven Produkten führt."

Die erste Kooperation mit Studio Wieki Somers zum Salone del Mobile 2017 bildete den atemberaubender Auftakt: Im Showroom hingen "Shields", in Ringe und Trapeze gespannte Kinnasand-Stoffe, die leicht und sanft in der Luft wiegten. Dieses Jahr richtet Katrin Greiling ihren Fokus auf die Teppiche von Kinnasand, die nun unter dem Label Kvadrat angeboten werden. Die Teppiche im Showroom platzierte sie auf Bänken und Ottomanen aus Stahlrohr. Ein durch und durch sinnliches Erlebnis: Auf Anhieb setzt man sich auf die Bänke und streichelte über gefilztes Wollgarn ("Harvest") oder Neu Seeland Wolle ("Kelim"). Die satte Farbigkeit der Möbel steht dabei in einem abwechslungsreichen Spiel zu den darauf drapierten Teppichen.

"Twill Weave" von Kvadrat in der Farbe "Graphite"
Dieser Farbton von "Twill Weave" ist von dem Mineral Realgar hergeleitet.
Katrin Greilings Installation "Structures" präsentiert Teppiche von Kinnasand auf Bänken und Ottomanen aus Stahlrohr.

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