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Der Esstisch "Trunk" aus dem Hause e15 ist einfach ein "Centerpiece". Allein das massive Messinggestell wiegt über 200 Kilo.

Neue Tische: Von Materialfetisch bis Zen-Faktor

Ob kurz- oder langbeinig, ob einzigartig oder extravagant: Der Tisch zeigte sich in Mailand rassiger Vielfalt.
von Jasmin Jouhar | 11.04.2017

Vergleichen wir einmal Tische mit Hunden: Über Jahrtausende hat der Mensch seine ganze Kreativität aufgeboten, um aus einer an sich simplen Sache einen beeindruckenden Variantenreichtum zu erzeugen. Und so wie Chihuahua und Deutsche Dogge bekanntlich doch vom Wolf abstammen, haben wir aus einer Platte mit Beinen dran die Festtafel genauso wie die am Sofa eingehängte Ablage gezüchtet. Und unsere Kreativität ist beim Tisch längst noch nicht erschöpft, wie Designer und Hersteller zum Salone del Mobile 2017 in Mailand unter Beweis stellen. Vom kräftigen Großkaliber bis zum aufmerksamkeitssuchenden Schoßhündchen ist alles dabei.

Das Frankfurter Möbellabel e15 beispielsweise, ein ausgewiesener Tischspezialist, hat sich mit seinem neuen "Trunk Table" selbst übertroffen: Eine aus einem einzigen Stamm eines Nussbaumes gefertigte Platte ruht auf einem Gestell aus massivem Messing. Bislang noch ein Einzelstück, sollte man vor der Bestellung des Schwergewichts nicht nur kräftige Spediteure finden, sondern auch seinen Statiker zu Rate ziehen. Ebenfalls nicht an Gewicht gespart haben Barber Osgerby mit ihrem "Aes" für Hermès: Der schwarze, niedrige Tisch ist aus Bronze gegossen. Einiges wiegen wird wohl auch die Tischserie "Ballerina", vom Filigran ästheten Nendo für Edizioni Marsotto – auch wenn die Serie so leichtfüßig daherkommen.

Bei solch herrlichen Einzelstücken darf man nicht vergessen, dass Tische ebenso Teamplayer sein können. So stellen viele Hersteller nun ihren Stuhlfamilien auch passende Tische zur Seite. Dabei geht es nicht um den großen Auftritt, sondern um Unterordnung im Rudel. Magis zeigte dies mit "Mila" von Jaime Hayon und Maruni mit "T&O" von Jasper Morrison. Moroso präsentiert unter dem Namen "Green Light" eine Kooperation mit dem Olafur Eliasson, der ein Regal wie einen dazu passenden Tisch auf Basis eines dreieckigen Moduls entwickelt hat. Und das Tisch-Äquivalent zum Chihuahua? Das sind wahrscheinlich die tragbaren Beistelltische, die immer dorthin wandern, wo gerade Ablagefläche gebraucht wird. Leicht müssen sie sein, und klein – wie zum Beispiel das Modell „Carmina“, das Ludovica und Roberto Palomba für Driade entworfen haben. Eines der drei Beinchen kringelt sich kokett zur Schleife, die als Tragegriff dient. Das Beste an all den langbeinigen, kurzbeinigen, eckigen oder runden Tischen? Sie sind ab Werk stubenrein.

"Enigma" nennt Sancal seine diesjährige Neuheiten-Kollektion. Gar nicht rätselhaft finden wir diesen simplen und variablen Tisch namens „Pion“ von der französischen Designerin Ioanna Vautrin.
Materialbetont nobel: Barber Osgerby haben für Hermès mit "Aes" einen Tisch aus einem Guss gestaltet – aus einem Bronzeguss.
Auch Maruni erweitert eine bestehende Sitzmöbelkollektion: Jasper Morrisons "T&O"- Stühle und -Hocker bekommen jetzt einen passenden Tisch mit runder oder rechteckiger Platte.
Olafur Eliasson hat schon öfter die Grenzen zwischen Kunst und Design überschritten. Auf dem Salone del Mobile stellt Moroso seinen modular gedachten Entwurf "Green Light" vor, der zu einer Zick-Zack-Figur oder einem Stern kombiniert werden kann.
Mobile Beisteller: Marc Thorpes "Set" mit Griff für Moroso.
Der Gegenentwurf zu all den massiven Holz- und Steintischen: Ludovica und Roberto Palombas Familie "Carmina" für Driade, die mit ihrem koketten Kringel zum Herumtragen auffordert.
Noch eine Materialübung: Emmanuel Babled hat mit Made a Mano auf Sizilien diese Tische aus Lavastein entwickelt. Die Platten sind emailliert.
Irgendwo auf der Grenze zwischen Tisch und Regal angesiedelt: Classicon aus München hat diese Konsole zum Anlehnen von A+A Cooren mit nach Mailand gebracht, Name: Tadaima.
Auch der deutsche Designer Sebastian Herkner kann gut mit Glas umgehen. Sollte es dafür noch einen Beweis gebraucht haben, wäre er mit dem Patchwork-Beisteller "Gin" für Pulpo erbracht.
Glas Italia trägt seine Kernkompetenz schon im Namen, und so präsentiert der Hersteller auch dieses Jahr wieder eine Reihe wunderbarer Neuheiten aus dem transparenten Werkstoff. Ronan und Erwan Bouroullec schwelgen in Farbe für die Tischserie "Nesting".
Wenn Stein tänzelt: Marmor-Spezialist Marsotto Edizioni zeigt die leichtfüßige Tischfamilie „Ballerina“ von den Filigranästheten Nendo aus Japan.
Magis setzt seine Kooperation mit dem Spanier Jaime Hayon fort und stellt dem Gaudí-inspirierten Stuhl "Milà" einen gleichnamigen Bistrotisch zur Seite
Wer jetzt schimpft: Wie unpraktisch, eine Tischplatte mit Bauklötzchen, hat natürlich recht. Aber vielleicht ist der Zen-inspirierte "Infinity Table" von Karen Chekerdjian für Wallpaper Handmade auch eher Meditationsobjekt als Tisch? Der Terrazzo von Grandinetti bietet den Augen jedenfalls endlose Beschäftigung, während das Hirn abschaltet.
Erklärtermaßen ein Werkzeug zur Versenkung ist der "Meditation Table", ebenfalls zu sehen bei Wallpaper Handmade. Der Tisch, von Studio Pepe gemeinsam mit Agape entwickelt, hält eine tibetische Singschale, Wasser zur Reinigung und einen Magnolien-Zweig bereit. Ohm!

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